Die verniedlichende Bezeichnung täuscht: Abszesse und Furunkel im Bereich der Nase sind nicht nur sehr schmerzhaft, sondern können potenziell lebensgefährlich sein. Ein Überblick über die Ursachen und wie die Infektion in der hausärztlichen Praxis behandelt werden kann.
Eine hochrot verfärbte, prall-elastisch imponierende und äußerst berührungsempfindliche Nasenspitze ist bei einem ursächlichen Furunkel oder Abszess der Nase mehr als ein kosmetisches Problem. Das Bild der roten Nasenspitze taucht in der angelsächsischen Fachliteratur immer wieder als das „Rudolph Zeichen“ (engl. Rudolph Sign) auf. Trotz dieser verniedlichenden Begriffsanlehnung an die Zeichentrickfigur „Rudolph, the Red-Nosed Reindeer“ darf dieses Symptom wegen seiner Schmerzhaftigkeit, Rezidivneigung und potenziellen Lebensgefährlichkeit aber nicht unterschätzt werden.
Wie entsteht das Rudolph Zeichen?
Während der Abszess durch das Eindringen von Erregern über eine Hautläsion zu einer Eiteransammlung in einer nicht präformierten Körperhöhle führt, entsteht der Furunkel als Folge einer infektiös verursachten Follikulitis oder Perifollikulitis eines Haares. Abszesse und Furunkel können akut und rezidivierend an der Nase das Symptom der roten, geschwollenen und druckempfindlichen Nasenspitze in unterschiedlichem Ausprägungsgrad erzeugen. Erreger sind Streptokokken und Staphylokokken (St.), meist St. aureus, der bei 80 % der gesunden Bevölkerung zumindest intermittierend in der Nase nachweisbar ist.
Was macht die rote Nasenspitze und ihre Umgebung potenziell gefährlich?
Die besondere Gefährlichkeit abszedierender oder durch ein Furunkel des Nasenvorhofs ausgelöster Entzündungen der Nasenspitze und ihrer Umgebung ist durch eine Besonderheit der venösen Gefäßversorgung von Gesicht und Nase begründet. Bekanntermaßen wird die V. angularis durch den Zusammenfluss der V. frontalis (Diploevene) und der V. supraorbitalis (Drainage des frontalen subkutanen Gewebes) gebildet. Dieser venöse Blutleiter führt dann entlang der Nasenwurzel schräg nach kaudal bis auf die Höhe des Unterrandes der Orbita und wird ab hier zur V. facialis, die unter anderem auch venöse Drainagezuflüsse aus den Nasenflügeln erhält. Klinisch wichtig ist, dass durch Anastomosen der V. angularis mit der V. ophthalmica superior eine Verbindung zum Sinus cavernosus hergestellt wird. Dadurch können sich Infektionen der Nase und der Oberlippe, der Wange und der Kieferhöhle bis zum Sinus cavernosus ausbreiten und dort zu einer septischen Sinus-cavernosus-Thrombose mit gefürchteten, auch letalen Komplikationen führen. Aufgrund dieser anatomischen Gegebenheit wird der Bereich zwischen den Mundwinkeln und der Nasenwurzel als „Gefahrendreieck des Gesichts“ (engl. Danger triangle of the face) bezeichnet.
Auf welchen Wegen infiziert sich die Nasenspitze?
Der von einem mehrschichtigen Plattenepithel mit Talgdrüsen und Borstenhaaren (Vibrissae) ausgekleidete Nasenvorhof (Vestibulum nasi) weist als höchsten Punkt den Nasendom auf, der vom lateralen und medialen Flügelknorpelschenkel gebildet wird. Viele Nasen sind an dieser Stelle nicht nur eng (z. B. bei einer Klappenstenose), sondern auch trocken. Dies ist umso mehr der Fall, wenn die Betroffenen unter entsprechenden klimatischen Verhältnissen (staubbelastete Werkhallen, klimatisierte Büroräume) leben und arbeiten müssen und/oder topische (abschwellende Nasentropfen) oder systemische Pharmaka (etwa Diuretika oder Psychopharmaka) verwenden, die zu einer Austrocknung der Haut/Schleimhaut führen können. Obwohl die Nasenhaare für eine erste Grobfilterung der Atemluft unverzichtbar sind, bilden sie dennoch ideale Ankerpunkte für eine überschießende Krusten- und Borkenbildung. In der Folge kommt es nicht nur zu einer subjektiven Einschränkung der Nasenatmung, sondern auch zu einem lästigen Juckreiz. Fast automatisch manipulieren Patienten dann mit Fingern in der Nase (Rhinotillexis, engl. nose picking), leisten dadurch einer Verbreitung von Keimen Vorschub und bahnen so die Pyodermie an. Gerne neigen aber auch Menschen dazu, eine kosmetisch störende Nasenhaarproduktion in Unkenntnis der Funktion zu reduzieren, indem sie Nasenhaare ausreißen, mithin die Haarfollikel verletzen und Eintrittspforten für Erreger schaffen
Was tut der Hausarzt beim „Rudolph Zeichen“, was hat er zu bedenken?
Patienten mit einer hochroten, prallen und sehr berührungsempfindlichen Nasenspitze müssen behutsam untersucht werden. Aufgrund der Schmerzen und der Schwellung im Flügel- und Spitzenbereich der Nase ist meist nur ein eingeschränkter Blick in den Nasenvorhof möglich, am besten noch mit einem Otoskop und aufgestecktem großen Trichter. So kann versucht werden, den Auslöser (Furunkel oder Abszess) innerhalb der Nase zu identifizieren. Eine mögliche äußere Eintrittspforte ist (Anamnese!) meist leichter zu erkennen. Zur Abschätzung einer Mitbeteiligung der V. angularis müssen die Weichteile im medialen Augenwinkel inspiziert und vorsichtig (cave: Erregerverschleppung) palpiert werden.
Bei einem positiven Angularis-Tastbefund, einer ausgeprägten lokalen und/oder systemischen Symptomatik (Fieber, Schüttelfrost) oder einem vorbekannten Immundefizit des Patienten sollte eine stationäre Einweisung erfolgen.
Bei weniger ausgeprägten Akutbeschwerden ist beim immunkompetenten Patienten primär eine ambulante, antibiotisch-systemische Behandlung sinnvoll, ggf. nach vorheriger Bestimmung der Entzündungsparameter und einer Abstrichentnahme (falls möglich). Als Antibiotikum wurde in einem internationalen Review die orale, gewichts- oder altersadaptierte Verordnung eines Aminopenicillins mit einem Betalaktamase-Inhibitor (Amoxicillin/Clavulansäure) über sieben Tage empfohlen. Dieser Vorschlag findet sich auch in der S2K-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, wobei alternativ auch Clindamycin, Doxycyclin, Cotrimoxazol oder Isoxazolylpenicilline verwendet werden könnten. Diese Antibiotika wären auch bei einem Rezidiv in Erwägung zu ziehen.
Wird eine Erregereintrittspforte im Nasenvorhof und insbesondere im Nasendom des Betroffenen gesichtet oder vermutet, soll eine begleitende intranasale Anwendung von Mupirocin-Nasensalbe (Turixin 2% NS, Bactroban NS) hilfreich sein.
Nach eigener Erfahrung lindert eine Kühlung der Nasenspitze (Kaltwasser- oder Alkoholumschläge, cave: Kälteschäden der Gesichtshaut) das Spannungsgefühl. Wärmeanwendung ist kontraindiziert! Zur Ruhigstellung von Nasenspitze und Oberlippe sollte sich der Patienten für einige Tage mit weicher Kost ernähren und möglichst wenig sprechen. Die additive Verordnung von Antiphlogistika/Analgetika kann bedarfsabhängig erfolgen.
Wonach muss der Hausarzt fahnden?
Patienten mit einem immer wiederkehrenden Rudolph Zeichen ohne schwerwiegende Begleitsymptome müssen primär nach Auslösefaktoren durchleuchtet werden, die Infektionen im Nasenvorhof begünstigen: kann die Konditionierungsarbeit der Nase durch eine schädigende Umgebungsluft (trockene, staubige oder mit Allergenen belastete Luft zu Hause und am Arbeitsplatz, Nikotinabusus) chronisch gestört sein? Werden Medikamente oder Noxen (Nikotin, Drogen) konsumiert, die eine Austrocknung der Nase fördern? Liegen allergische/vasomotorische Pathologien der Nasenschleimhaut oder eine Nasenventilationsstörung (insbesondere im Nasenvorhofbereich) vor? Werden schleimhautkultivierende Maßnahmen (befeuchtende Nasenpflege, reinigende Nasenspülungen) vernachlässigt? Neigt der Betroffene zu einem negativen Fehlverhalten: etwa dem Nasenbohren, das im Übrigen bei anderen Primaten als präventive Nasentoilette belegt ist oder werden Nasenhaare aus kosmetischen Gründen ausgerissen?
Schlussfolgerungen
Das Rudolph Zeichen ist die Blickdiagnose einer furunkulösen oder abszedierenden Entzündung in oder an der Nasenspitze. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass in der vorantibiotischen Ära Nasenfurunkel oder Nasenabszesse schlimmstenfalls tödlich enden konnten. Differenzialdiagnostisch müssen ein Erysipel, eine Herpes zoster-Infektion, eine Rosazea oder eine Akne conglobata in Betracht gezogen werden.
Aber auch bei milderem Verlauf kann „die rote Nasenspitze“ akut wie rezidivierend Probleme machen. Gerade die ständig wiederkehrenden Nasenspitzenentzündungen sind es, die dem Patienten wegen ihrer unangenehmen Begleiterscheinungen auch psychisch erheblich zusetzen. Neben einer suffizienten Initialbehandlung und einer Kontrolle immunologischer Risiken sollten mögliche Auslösesituationen akribisch abgefragt werden, um Infektionen durch präventive Maßnahmen (z. B. Nasenpflege, z. B. Nasenspülung, diskrete Kürzung der Nasenhaare) oder Verhaltensänderungen schon im Vorfeld zu verhindern.
Autoren: Dr. Fritz Meyer, Dr. Elisabeth Meyer M.Sc., Joachim Abele, Dr. Thomas Meyer
Quelle: Der Allgemeinarzt


