Eine US-Studie zeigt, dass Überlebende von Stevens-Johnson-Syndrom und toxischer epidermaler Nekrolyse langfristig unter erheblichen körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen leiden. Besonders fehlen strukturierte Nachsorge, gezielte ärztliche und patientenbezogene Aufklärung sowie psychosoziale Unterstützung. Die Koordination der Versorgung muss verbessert werden.
Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und toxische epidermale Nekrolyse (TEN) zählen zu den schwersten kutanen Arzneimittelreaktionen. Während die akute Versorgung mittlerweile gut etabliert ist, zeigt eine aktuelle qualitative Studie aus den USA, dass Frauen und Männer nach überstandener SJS/TEN mit erheblichen Langzeitfolgen konfrontiert sind – und dass gravierende Versorgungslücken bestehen.
Im Rahmen der SJS Survivors Study wurden 29 Patientinnen und Patienten im Alter von 26 bis 76 Jahren zu ihren Erfahrungen nach der Krankenhausentlassung befragt. Die meisten berichteten von fortbestehenden körperlichen Beschwerden: Chronische Hautprobleme, schwere Augenbeteiligung bis hin zur Erblindung und Einschränkungen der Selbstständigkeit sind häufig. Viele Betroffene leiden zudem unter starker Erschöpfung, Schmerzen und einer insgesamt reduzierten Lebensqualität.
Psychisch sind die Folgen nicht minder gravierend: Neben Angst, Depressionen und Flashbacks wurden bei mehreren Teilnehmenden posttraumatische Belastungsstörungen diagnostiziert. Die psychische Belastung ist oft anhaltend und wird durch mangelnde Unterstützung nach der Entlassung verstärkt. Ein zentrales Problem: Die Versorgung endet meist abrupt mit der Krankenhausentlassung. Patientinnen und Patienten fühlen sich im Umgang mit den Langzeitfolgen allein gelassen und müssen sich oft selbst um die Koordination ihrer Nachsorge kümmern.
Auch soziale und berufliche Aspekte spielen eine große Rolle. Viele Überlebende berichten von Isolation, dem Verlust von Freundschaften und Partnerschaften sowie von beruflichen Einschränkungen bis hin zur Erwerbsunfähigkeit. Die finanzielle Belastung durch die Erkrankung ist erheblich.
Ein weiterer kritischer Punkt ist das Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Viele Betroffene beklagen eine mangelnde Aufklärung über SJS/TEN und die damit verbundenen Risiken, insbesondere hinsichtlich zukünftiger Medikamenteneinnahme. Häufig fehlt es an spezifischer Beratung und an Wissen über die Erkrankung – sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch bei Patientinnen und Patienten. Viele wenden sich daher an Internetforen und Selbsthilfegruppen, um Informationen und Unterstützung zu erhalten.
Die Studie zeigt, dass eine strukturierte, multidisziplinäre Nachsorge für SJS/TEN-Überlebende dringend notwendig ist. Neben dermatologischer und ophthalmologischer Betreuung sollten auch psychologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Eine frühzeitige und umfassende Aufklärung sowie die Koordination der Nachsorge sind essenziell, um die Lebensqualität von Frauen und Männern nach SJS/TEN nachhaltig zu verbessern und das Vertrauen in die medizinische Versorgung zu stärken.
Originalquelle:
Martin-Pozo MD, Williams EA, Bonnet KR, et al. Recovering From Stevens-Johnson Syndrome and Toxic Epidermal Necrolysis. JAMA Dermatol. 2025; Published online November 12, 2025. doi:10.1001/jamadermatol.2025.4345



