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Aktuelle STIKO-Empfehlung zur Meningokokken-Impfung: Warum alles anders?

Aktuelle STIKO-Empfehlung zur Meningokokken-Impfung: Warum alles anders?

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Allgemeinmedizin

Impfen und Infektionen

mgo medizin Redaktion

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5 MIN

Erschienen in: Der Allgemeinarzt

Die STIKO empfiehlt seit Ende Oktober die MenACWY-Impfung bereits für ­Kinder ab zwölf Jahren. Als Zeitpunkt bietet sich hierfür die routinemäßige J1-Vorsorgeuntersuchung an. Die ­STIKO erhofft sich dadurch ­Populationseffekte, durch die auch ­ältere Menschen geschützt werden. ­
Bei der ACWY-Impfung für Kleinkinder sieht die STIKO dagegen keinen Handlungs­bedarf.

Die STIKO empfiehlt als Standardimpfung neu in ihrem Epidemiologischen Bulletin 44.2025 vom 30.10 2025 für alle im Alter von zwölf bis 14 Jahren die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W und Y (MenACWY) mit einem der drei in der BRD altersgerecht zugelassenen quadrivalenten Konjugat-Impfstoffe. Diese Impfung soll unabhängig vom Impfstatus gegen Meningokokken als Einmal-Dosis gemäß den Fachinformationen durchgeführt werden. MenACWY-Nachholimpfungen sollen bis zum 25. Geburtstag erfolgen. Es empfiehlt sich die MenACWY-Impfung im zeitlichen Zusammenhang mit der routinemäßigen J1-Vorsorgeuntersuchung im Jugendalter durchzuführen. Die Verabreichung kann zeitgleich mit den weiteren von der STIKO empfohlenen Impfungen für diese Altersgruppe erfolgen (Vierfachimpfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Poliomyelitis [TdapIPV], Impfung gegen Humane Papillomaviren [HPV]). Die STIKO verbindet mit der Einführung der MenACWY-Impfung für alle Jugendlichen im Alter von 12 – 14 Jahren auch die Erwartung einer Steigerung dieser TdapIPV- und HPV-Impfquoten. Ziel der Impfempfehlung ist die Reduktion der invasiven Erkrankungen (IME) durch MenACWY und der daraus resultierenden Folgen.

Keine STIKO-Empfehlung für Kleinkinder

Aufgrund der Seltenheit von durch MenACWY induzierte IME bei Kleinkindern, speziell auch der – u.a. aufgrund der Impfungen gegen diesen Serotyp – deutlichen Reduktion invasiver MenC-Infektionen, empfiehlt die STIKO nach Gesamtevaluation der vorliegenden Evidenz zum jetzigen Zeitpunkt für Kleinkinder keine allgemeine MenACWY-Impfung. Auch die bisherige STIKO Empfehlung zur monovalenten MenC-Impfung im Alter von ≥ 12 Monaten, einschließlich der bislang empfohlenen Nachholimpfungen bis zu einem Alter von < 18 Jahren entfällt künftig. Der Nutzen dieser Impfung im Kleinkindalter wird vom RKI als sehr gering eingeschätzt. Die Indikationsimpfempfehlung gegen MenACWY und B für gesundheitlich gefährdete Personen, einschließlich Säuglingen und Kleinkindern, mit angeborener oder erworbener Immundefizienz bleibt hiervon unberührt bestehen.
Unverändert gültig bleibt auch die Empfehlung zur Impfung gegen Meningokokken B bei Säuglingen ab dem Alter von zwei Monaten. Gemäß Fachinformation besteht die Impfserie im Alter von zwei bis 23 Monaten aus drei Impfdosen im Alter von zwei, vier und zwölf Monaten, ab dem Alter von 24 Monaten bis zum fünften Geburtstag aus zwei Impfdosen. Auch die Reise-Impf-Empfehlungen gegen Meningokokken bleiben unverändert bestehen und es sei daran erinnert, dass vor allem Jugendliche ab dem Alter von 15 Jahren besonders gefährdet sind, Meningokokken-Erkrankungen zu erleiden. Solche Invasiven Meningokokken-Erkrankungen (IME) der Serogruppen A, C, W oder Y sind zwar sehr selten, verlaufen aber in den meisten Fällen fulminant und haben eine Letalität von ca. 10 – 13 %. Überlebende leiden häufig an Langzeitfolgen (z. B. Hydrozephalus, Epilepsie, chronisches Nierenversagen, Amputationen, Hörverlust und psychische Störungen) und einer verminderten Lebensqualität.

Serogruppen-Verschiebung nach der Pandemie

Der zentrale Grund für diese radikale Überarbeitung der STIKO-Impfempfehlung gegen Meningokokken ist die vor allem nach der Covid-19-Pandemie zu beobachtende Verschiebung der Serogruppen. Altersübergreifend nahm in den letzten zehn Jahren die Inzidenz der Serogruppe C kontinuierlich ab. Die Serogruppe Y hat sich dagegen in allen Altersgruppen ausgebreitet. Noch stärker verbreitet ist weiterhin die Serogruppe B. Diese vor allem bei jüngeren Altersgruppen bis zum Alter von 25 Jahren, die Serogruppe Y ab dem Alter von 70 Jahren, in dem die Inzidenz von IME wieder zunimmt, die im Erwachsenenalter unter 70 Jahren vergleichsweise selten auftritt.
Das Epidemiologische Bulletin 44.2025 enthält auch die 25-Seiten lange wissenschaftliche Begründung der STIKO mit u.a. einer wichtigen Feststellung zur Herden-Immunisierung: „Durch die gezielte Impfung von Jugendlichen können Populationseffekte erzielt und somit andere Altersgruppen indirekt vor ACWY-IME geschützt werden. Daher ist der größte indirekte Effekt auf die Reduzierung von ACWY-IME in Deutschland voraussichtlich durch eine Impfung von Jugendlichen zu erreichen. Die Einführung einer MenACWY Primärimpfung im Jugendalter stellt sich, basierend auf den Modellierungsergebnissen, somit als effizienteste Strategie dar.“

Men-B nur als Reiseimpfung

Und die bei allen Altersgruppen bis zum Alter von 25 Jahren am häufigsten IME induzierende Serogruppe B? Hier scheint sich die STIKO auf die Effekte der während der ersten fünf Lebensjahre empfohlenen MenB-Impfung zu verlassen, denn obgleich für die Altersgruppe ab zehn Jahren zwei MenB-Impfstoffe zur Verfügung stehen, hat die Kommission neben dieser für Säuglinge und Kleinkinder nur eine Men-B-Reiseimpfempfehlung ausgesprochen. Und der bereits im September 2024 ab dem Alter von zehn Jahren von den europäischen Behörden zugelassene pentavalente Impfstoff hat diese Zulassung auf Wunsch des Herstellers im Januar 2025 wieder entzogen bekommen, für einen weiteren wurde (noch) keine Zulassung beantragt.
Abschließend sei daran erinnert, dass es in der BRD erfahrungsgemäß noch einige Monate dauern wird, bis diese tetravalente Impfung tatsächlich als Kassenleistung angeboten und abgerechnet werden kann.

Dr. med. Ulrich Enzel

oneinchpunch – stock.adobe.com
Literatur: Epidemiologisches Bulletin 44.2025 v. 30.10.2025 und 45.2025 v. 6.11.2025

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