Hausbesuche im Bereitschaftsdienst, während kollegialer Vertretungen oder in Notfällen, zu denen der Hausarzt hinzugezogen wird, stellen immer erhöhte Anforderungen an den Diensthabenden. Im Gegensatz zu Besuchen bei „eigenen“ Patienten, deren Anamnese man kennt, sind hier in der Regel nur spärliche Informationen vorhanden: Informationen der Koordinationsstelle, die darauf angewiesen ist, was ihr als Rufgrund mitgeteilt wurde (und nach eigenen Untersuchungen nicht unbedingt hilfreich sein muss), Aussagen des Patienten oder seiner Angehörigen oder zufällig Anwesender. Aus diesem Grund ist hier eine genaue Anamnese unabdingbar und eine gründliche Untersuchung zwingend erforderlich.
Das Problem ist bekannt und es hat in der Vergangenheit keinesfalls an Versuchen gefehlt, Lösungen dafür zu finden. Denn während das zielführende Vorgehen bei Hausbesuchen im Bereitschaftsdienst dem erfahrenen, langjährigen Allgemeinarzt „in Fleisch und Blut“ übergegangen ist, kann es für Berufsanfänger oder Fachärztinnen respektive Fachärzte im Einzelfall doch recht schwierig sein, die Anforderungen einer genauen Anamnese und gründlichen Untersuchung zu erfüllen. Bücher zum Thema gibt es wie Sand am Meer – mal mehr, mal weniger ausführlich verfasst.
Ein Blick ins Handbuch für Notfälle erweckt im Akutfall kein Vertrauen
Für den Berufsanfänger, den Famulanten oder das Selbststudium sind diese Bücher eine sehr gute Hilfe, in der Praxis des hausbesuchenden Arztes sind sie jedoch wenig hilfreich: Wenn der Arzt erst einmal in einem Buch nachschlagen muss, was er untersuchen und wie er die Erkrankung behandeln muss, fördert das nicht unbedingt das Vertrauen. Denn für den Patienten spielt besonders im Bereitschaftsdienst, sei es der Hausbesuch oder der sogenannte „Sitzdienst“, die Fachrichtung keine Rolle. Auch das Verhalten eines Kollegen, sich unter einem Vorwand erst einmal vom Patienten zu entfernen, um hinter dem nächsten Wohnblock in seinem Buch nachzuschlagen, kann keinesfalls akzeptiert werden.
Ein weiterer Nachteil dieser Handbücher ist, dass sie in den meisten Fällen nach Erkrankungen geordnet sind, ergänzt durch die erforderlichen Therapiehinweise. Doch die spezielle Untersuchungstechnik ist hingegen nicht aufgeführt. Trifft die erste Verdachtsdiagnose dann nicht zu, muss weiter gesucht werden, was beim Patienten genauso wenig Vertrauen erweckt wie bei dessen eventuell ebenfalls anwesenden Angehörigen.
Checkliste kann sicher und schneller zur richtigen Diagnose verhelfen
Wesentlich besser ist es deshalb, wenn hier eine Checkliste vorliegt, die vom diensthabenden Arzt systematisch „abgearbeitet“ wird. Hier hat der Patient das Gefühl einer systematischen Diagnostik und des Bestrebens, nichts zu übersehen. Dieses äußerst sorgfältige Vorgehen stellt eine vertrauensbildende Vorgehensweise dar. Wie bereits angeführt, wird in der Regel in diesen Handbüchern von Verdachtsdiagnosen und begleitenden Symptomen ausgegangen, was in der Praxis zu erheblichen Problemen führen kann.
Deshalb habe ich mir Gedanken gemacht und eine Checkliste entwickelt, die eine andere Vorgehensweise anwendet: Sie beginnt damit, den Schweregrad der Erkrankung sowie die Gefahr für den Patienten einzuschätzen – und damit die akute Gefahr, die Dringlichkeit und Art der Behandlung zu ermitteln. Danach erfolgt eine – je nach Schwere der Erkrankung – mehr oder weniger gründliche – Ermittlung der Vitalwerte, ehe eine gründliche Untersuchung samt Dokumentation. Je nach Fall erfolgt diese Untersuchung im Sinne eines Teil- oder Ganzkörperstatus. Dabei werden auch die äußeren Umstände sowie das Wohnumfeld berücksichtigt, die in vielen Fällen Hinweise auf die vorliegende Störung geben können.
Ausgedruckt oder digital – die Checkliste ist immer dabei
Ob die Checkliste digitalisiert auf dem Tablet dabei ist oder als laminierter Ausdruck, bleibt den eigenen Vorlieben überlassen. Wichtig ist nur die richtige Reihenfolge der Untersuchung – die Abarbeitung der gesamten Liste ist dabei nur selten erforderlich oder sinnvoll, aber sie stellt ein wertvolles Hilfsmittel dar, um auch in emotional belastenden Situationen eine gründliche Untersuchung zu garantieren.
Autor: Dr. med. Holger Schnering
Quelle: Der Allgemeinarzt
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