Gerade Menschen unter Immunsuppression profitieren aufgrund des hohen Risikos schwerer Verläufe impfpräventabler Erkrankungen von einem Impfschutz – auch wenn dieser bei dieser Gruppe etwas schwächer ausfallen mag. Welche Impfungen besonders wichtig sind und was Allgemeinärzt:innen dabei beachten müssen. Eine Übersicht
Immunsuppression spielt in der Hausarztpraxis eine große Rolle. Insgesamt geht man davon aus, dass in Deutschland mehr als 8 Millionen Menschen aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Immunschwäche durch eine Erkrankung (z.B. onkologische Erkrankungen, Niereninsuffizienz, HIV, Diabetes mellitus) oder einer therapiebedingten erworbenen Immunsuppression nur eine eingeschränkte Immunfunktion haben. Die Studienlage in Hinblick auf eine besondere Gefährdung durch Infektionserkrankungen mit erhöhtem Infektionsrisiko und im Falle einer Erkrankung mit schwereren Verläufen ist eindeutig. Zahlen aus 2019 legen nahe, dass nur der Hälfte der Patienten mit Immunsuppression die Problematik bewusst ist. Auch wenn sich die Zahlen in den letzten Jahren wahrscheinlich durch mehr Präsenz der Thematik etwas verbessert haben, besteht hier weiterhin Handlungs- bzw. Aufklärungsbedarf. Die Zahlen lassen damit auch einen Rückschluss auf die Durchimpfungsraten in den entsprechenden Risikogruppen zu.
Ein immer wieder vorgebrachtes Argument ist, dass Impfungen bei Immunsupprimierten nicht wirken. Für diverse Immunsuppressiva konnte gezeigt werden, dass sich auch bei schwerer Immunsuppression, z.B. in Form B-Zell-depletierender Medikation, ein Impferfolg nachweisen ließ, wenn auch nicht so gut wie bei Gesunden. Gerade diese Patienten profitieren aufgrund des hohen Risikos schwerer Verläufe besonders von einem, gegebenenfalls etwas eingeschränkten, Impfschutz. Ein geringerer Schutz ist hier deutlich besser als gar kein Schutz. Insbesondere sollte darüber aufgeklärt werden, dass das Risiko für eine Verschlechterung der Grunderkrankung bei einer impfpräventablen Infektion deutlich erhöht ist und das Risiko von potenziellen Impfnebenwirkungen eindeutig überwiegt.
Wer trägt die Verantwortung?
Problematisch ist sicherlich die Frage, wer die Verantwortung für die Impfungen bei immunsupprimierender Therapie trägt. Grundsätzlich besteht sicherlich eine entsprechende Aufklärungspflicht über die Sinnhaftigkeit, Wirksamkeit und Verträglichkeit der empfohlenen Impfungen durch den verschreibenden Mediziner, in den meisten Fällen also den Facharzt. In der Praxis zeigt sich, dass dies jedoch häufig nicht durchgeführt wird oder einfach an den Hausarzt verwiesen wird, der oft aufgrund der Vielzahl an Immunsuppressiva nur eingeschränkte Erfahrung mit der jeweiligen Medikation und der Impfempfehlungen dazu hat. Ergebnis ist, dass Patient:innen die empfohlenen Impfungen nicht erhalten. Hier ist es entscheidend, die Verantwortung nicht hin- und herzuschieben, sondern sich mit dem behandelnden Facharzt auf ein Vorgehen zu einigen oder im Zweifelsfall die Sache einfach selbst in die Hand zu nehmen.
Voraussetzung ist zu wissen, wie man in Hinblick auf Impfungen mit Immunsupprimierten umgeht. Das ist einfacher, als meist vermutet, wenn man ein paar Grundregeln beachtet, die von der STIKO 2019 in Form von seitdem weitgehend unveränderten Anwendungshinweisen (nicht Empfehlungen) zu den empfohlenen Impfungen bei Immundefizienz veröffentlicht wurden. Diese gelten als Hilfestellung zu Impfungen bei Personen mit Immundefizienz und sollten unter Berücksichtigung der Fachinformationen der jeweiligen Impfstoffe und Medikamente angewendet werden.
Wann Tot-, wann Lebendimpfstoffe?
Grundlegend lassen sich für die hausärztliche Praxis Regeln ableiten, die die Handhabung deutlich vereinfachen:
- Totimpfstoffe: bei Personen mit einer immunsuppressiven Therapie können Totimpfstoffe grundsätzlich immer angewendet werden. Für den Geimpften besteht dabei kein besonderes Risiko.
- Lebendimpfstoffe sollen während einer immunsuppressiven Therapie im Normalfall nicht gegeben werden (außer bei Therapeutika mit geringgradiger immunsuppressiver Wirkung bei niedriger Dosierung und teilweise bei immunmodulatorischer Therapie). Umso wichtiger ist eine Umsetzung mit entsprechendem Abstand vor Therapiebeginn.
Im Idealfall werden die empfohlenen Impfserien vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie abgeschlossen, was auch in Hinblick auf Lebendimpfstoffe dann keine Probleme machen würde. Für eine optimale Wirkung werden Totimpfstoffe zwei Wochen, besser vier Wochen, vor Therapiebeginn gegeben. Leider tritt der Idealfall eher selten ein, da die meisten Diagnosen zu einer zeitnahen Therapienotwendigkeit führen. Um so wichtiger ist es bei Erkrankungen, die im Verlauf absehbar mit einer immunsuppressiven Therapie einhergehen, schon früh mit der Immunisierung zu beginnen. Sollte die Therapie jedoch schon begonnen sein, werden alle (Tot-)Impfungen während der Therapie durchgeführt. Der Impferfolg lässt sich dabei verbessern, wenn mit maximalem Abstand zu den jeweiligen Einzelgaben der Medikation geimpft wird.
Stehen noch Lebendimpfungen aus, ist dies unter Therapie nur bei ausgewählten Medikamenten möglich. Meistens muss nach der Impfung aber ein Abstand zur Therapie von mehreren Wochen eingehalten werden, was nicht immer möglich ist. Hier bleibt im Zweifelsfall nur auf die Impfung zu verzichten und im Kontaktfall eine Postexpositionsprophylaxe mit Immunglobulin durchzuführen.
Auch der Abstand zu Lebendimpfungen bei pausierter bzw. abgesetzter immunsuppressiver Therapie ist abhängig vom jeweiligen Therapeutikum. Jede Therapiepause sollte genutzt werden, um die Notwendigkeit von Lebendimpfungen nach aktuellen Empfehlungen nochmals zu hinterfragen. Gerade bei jüngeren Patienten kann hier auch noch an Lebendimpfungen in der Reisemedizin (z.B. Gelbfieber oder Denguefieber) gedacht werden, da auch diese später nicht mehr möglich sind.
Empfohlene Impfabstände für Tot- bzw. Lebendimpfstoffe zu Therapiebeginn, -pause oder Ende finden sich in den Anwendungshinweisen zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen als Liste. Leider ist diese Aufgrund der rasch fortschreitenden Entwicklung nicht mehr umfassend.
Welche Impfungen sind für Personen unter Immunsuppression empfohlen?
Grundlage sind die Standardimpfungen für die entsprechende Altersgruppe sowie berufsbedingte, vorerkrankungsbedingte oder regional bedingte (z.B. FSME) Indikationsimpfungen die alle auf dem Laufenden sein sollten.
Insbesondere bei schwerer Immunsuppression sind außerdem folgende Impfungen zu berücksichtigen:
- Pneumokokken
- Meningokokken ACWY
- Meningokokken B
- Hepatitis B
- COVID-19 saisonal jeden Herbst
- Influenzaimpfung saisonal jeden Herbst
- RSV ab 60 Jahren
- Herpes Zoster nach STIKO ab 50 (da Zulassung ab 18, aber auch für unter 50-Jährige sinnvoll)
Zusammenfassend ist die Umsetzung von Impfungen bei Immunsupprimierten ein komplexes Thema mit hohem Beratungsaufwand, lässt sich aber durch den klar umschriebenen Umfang und die unkomplizierte Gabe von Totimpfstoffen gut standardisieren. Für die Patienten ist es in jedem Fall ein Mehrwert.
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