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Gastrointestinale Prävention: Was ist effektiv?

Gastrointestinale Prävention: Was ist effektiv?

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mgo medizin

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Erschienen in: ärztliches journal onkologie

15 Jahre sind vergangen, seit Barry J. Marshall und J. Robin Warren den Nobel-Preis für die Entdeckung der Rolle von Helicobacter pylori bei Gastritis und peptischem Ulkus bekommen haben. Die Erkenntnis, dass auch das Magen­karzinom mit dem Keim assoziiert ist, ist sogar noch 5 Jahre älter. Besonders hoch ist das Risiko für die Entwicklung von Magenkrebs bei der korpusdominanten Gastritis, die mit verminderter Säure­sekretion verbunden ist, sowie bei atrophischer Gastritis und intestinaler Metaplasie.
Eradikation halbiert Krebsrisiko
Aktuelle Meta-Analysen belegen: Das Risiko, an einem Magenkarzinom zu erkranken, kann bei Menschen mit Risikogastritis durch frühzeitige Eradikation von H. pylori fast halbiert werden. Das ist mehr, als irgendeine andere Maßnahme in der gastroenterologischen Onkologie bringt, betonte Prof. Matthias Ebert  aus Mannheim. Auch auf Bevölkerungsebene führen Eradikationsprogramme  zu einem Rückgang der Magenkarzinom-Inzidenz.
Bei Personen mit hohem Erkrankungsrisiko für Magenkrebs, z. B. bei positiver Familienanamnese, lohnt sich eine Eradikation ebenfalls, da sie das Erkrankungsrisiko halbiert. Auch Patienten mit frühen Neoplasien profitieren, während dies für Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom nicht zutrifft. Hier ist offenbar der Point of no Return überschritten.  Nach einer aktuellen Studie aus Taiwan scheinen auch die Atrophie und die intes­tinale Metaplasie durch Eradikation von H. pylori rückbildungsfähig zu sein – zumindest in der asiatischen Bevölkerung.

Endoskopisches Screening – in welchen Fällen angezeigt?
Was tragen endoskopische Screeningprogramme am oberen Gastrointestinaltrakt zur Krebsprävention bei? Wie Prof. Ralf Jakobs, Ludwigshafen, berichtete, gelang es im Hochrisikogebiet China, durch eine einmalige Screening-Ösophago­gastroduodenoskopie (ÖGD) die kumulative Krebsinzidenz im Follow-up von 10 Jahren um 23% und die Krebsmortalität um 51% zu senken. Dies wird bestätigt durch eine Meta-Analyse von Studien aus dem asiatischen Raum, die eine Senkung der Magenkrebsmortalität um 40% durch endoskopisches Screening fand.
In Deutschland wird ein bevölkerungsweites endoskopisches Screening in Leitlinien trotz der meist viel zu späten Diagnose und entsprechend schlechten Prognose des Magenkarzinoms nicht empfohlen, da die Inzidenz sehr niedrig und in den letzten 20 Jahren stetig weiter abgefallen ist. Für das Ösophaguskarzinom sieht es ähnlich aus. Seine niedrige Inzidenz ist trotz steigenden Alters der Patienten stabil geblieben.
Anders sieht es aus bei Menschen mit genetischer Prädisposition für ein Magenkarzinom, z. B. mit einem Lynch-Syndrom. Dieses erhöht das Lebenszeitrisiko für verschiedene Tumoren im Gastrointestinaltrakt. An einem kolorektalen Karzinom werden 15–45%, an einem Magenkarzinom 0,2–13% und an einem Dünndarm-Karzinom 4–8% erkranken. Empfohlen wird deshalb bei Betroffenen ab dem 25. Lebensjahr eine ÖGD alle 12–36 Monate. Ein sehr hohes Risiko haben auch Patienten mit Keimbahnmutation im CDH1-Gen. Diese hereditären meist diffusen Magenkarzinome kann man nur durch prophylaktische Gastrektomie verhindern. Regelmäßige Endoskopien sind ineffektiv, weil viele kleine Karzinomherde übersehen werden.
Weitere Situationen, die ein endoskopisches Überwachungsprogramm indizieren können, sind intestinale Metaplasien im Magen, eine atrophische Gastritis oder Dysplasien in Magen und Ösophagus. Diese Läsionen gehen mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung von Magenkrebs einher. Nach der deutschen S3-Leitlinie sollte Patienten mit fortgeschrittenen Läsionen dieser Art eine endoskopische Überwachung angeboten werden. Mehr als geringgradige Dysplasien im Ösophagus werden am besten endoskopisch entfernt. Barrett-Läsionen ohne Dysplasie oder mit geringgradiger Dysplasie im Ösophagus kann man regelmäßig endoskopisch kontrollieren.

Chronische Pankreatitis: 1x jährlich kontrollieren
Auf die Präventionsmöglichkeiten bei chronischer Pankreatitis ging Prof. Markus M. Lerch, Greifswald, ein. Die Genese der chronischen Pankreatitis werde immer nur in Verbindung mit Alkohol gebracht. Dieser sei zwar nach wie vor der führende Risikofaktor, nehme aber in der Häufigkeit ab, während das Rauchen und metabolische Faktoren an Bedeutung gewinnen, sagte Lerch. Auch die Inzidenz der schubweise verlaufenden Erkrankung steigt seit 2005 wieder an, während sie davor zurückging.
Der wesentliche Grund für eine Über­wachung dieser Patienten sei die Prävention, frühzeitige Erkennung oder Therapie von Komplikationen wie Maldiges­tion, Kachexie und Diabetes. Damit könne man die Morbidität und Mortalität senken, so Lerch.
Klinisch stehen bei der chronischen Pankreatitis Schmerzen im Vordergrund. Die exokrine Pankreasinsuffizienz steigert das Mortalitätsrisiko um mehr als das Doppelte. Eine Steatorrhö entwickelt sich erst, wenn die exokrine Reserve zu mehr als 90% erschöpft ist. Diese Patienten sind wegen ihrer Fettstühle nicht zu übersehen. Wichtiger ist es, leichtere Formen der exokrinen Insuffizienz ohne Steatorrhö oder Gewichtsverlust zu erkennen. Denn sie können zu einem Mangel an Spurenelementen oder fettlöslichen Vitaminen führen – mit erheblichen Konsequenzen: Etwa 60% der Patienten weisen eine verminderte Knochendichte auf.
Es ist also anzuraten, Patienten mit chronischer Pankreatitis einmal jährlich klinisch zu kontrollieren und insbesondere ihren Ernährungszustand einzuschätzen. Bei klinischem Verdacht auf Maldigestion oder exokrine Insuffizienz sollte ein nicht-invasiver Test auf Stuhl-Elastase durchgeführt werden. Eine exokrine Insuffizienz liegt vor bei Werten unter 200 µg/g, sicher keine besteht bei Werten > 500 µg/g. Ist die Situation unklar, kann eine probatorische Enzymsubstitution sinnvoll sein.
Auch die endokrine Insuffizienz, die sich sehr viel später entwickelt, muss man im Auge behalten. Rauchen spielt auch hier als Risikofaktor eine wichtige Rolle. Bei 25–80% der Patienten mit chronischer Pankreatitis gehen 10–20 Jahre nach Diagnose Inselzellen verloren. Häufig passiert dies nach Operationen. Entwickelt sich daraus ein Diabetes, verschlechtert sich die Prognose des Patienten. HbA1c-Wert und Nüchternblutzucker sollten laut Leitlinie jährlich kontrolliert werden. Besteht bei Patienten mit chronischer Pankreatitis ein Suchtproblem, sollte dieses angegangen werden. Retrospektive Daten zeigen klar, dass sich das Risiko des Fortschreitens der Erkrankung halbiert, wenn der Patient aufhört zu trinken bzw. zu rauchen. „In der Praxis sind wir beim Alhoholentzug meist erfolgreich, während der Nikotinentzug selten klappt“, so Lerch.

Bildgebung nur bei hereditären Formen
Die chronische Pankreatitis geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms einher. Als unabhängige Risikofaktoren haben sich Rauchen und Insulinbehandlung erwiesen. Doch Karzinome lassen sich in dem stark veränderten entzündeten Organ mit modernen bildgebenden Verfahren schwerer erkennen als in einer gesunden Bauchspeicheldrüse.
Nicht jeder Patient mit chronischer Pankreatitis braucht jedes Jahr eine bildgebende Untersuchung, um ein Pankreaskarzinom auszuschließen, wie man dies früher gehandhabt hat. Sinnvoll ist dies nur bei hereditären Pankreatitisformen, die ein 70-fach erhöhtes Karzinomsrisiko mit sich bringen – und zwar ab dem 40. Lebensjahr oder 20 Jahre nach Beginn der Symptome. Ansonsten ist bei chronischer Pankreatitis eine Bildgebung indiziert, wenn ein Gewichtsverlust, eine B-Symptomatik, ein Ikterus oder ein Diabetes neu auftreten. Auch bei jedem Pankreatitisschub sollten Komplikationen mit bildgebenden Verfahren ausgeschlossen werden.

Dr. med. Angelika Bischoff

Bildquelle: © Maryna – stock.adobe.com

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