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Regionale Therapieverfahren beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom

Regionale Therapieverfahren beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom

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Gastrointestinale Tumoren

Pankreaskarzinom

mgo medizin

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7 MIN

Erschienen in: ärztliches journal onkologie

Eine medikamentöse Behandlung zur Senkung des Pankreaskarzinom-Risikos ist nach wie vor nicht bekannt. In der aktiven Therapie selbst gelang jedoch ein kleiner Fortschritt gegenüber der Standardtherapie mit 5-FU Ende der 90er Jahre durch die Einführung des effektiveren Gemcitabin. Trotzdem hat sich an der insgesamt schlechten Prognose des Pankreaskarzinoms kaum etwas geändert. Geringe Verbesserungen konnten mit dem FOLFOX- und FOLFIRINOX-Schema als auch der Kombination von Gemcitabin/nab-Paclitaxel und in der Zweitlinie liposomalem Irinotecan (nal-IRI) und 5-FU-Leucovorin erzielt werden, welche jedoch häufig mit schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Neutropenien, Neuropathien, Knochenmarkssuppression und Diarrhoen einhergingen.

Problem der Therapieresistenz

Eine jüngste Studie mit FOLFIRINOX zielte darauf ab, den Anteil der Patient:innen mit fortgeschrittenem Tumor zu identifizieren, die zwölf Wochen nach Therapiebeginn die Krankheit noch unter Kontrolle hatten (Disease Control at twelve weeks: DC12). Ziel war es, die Bedeutung von DC12 für das progressionsfreie (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) zu bestimmen3.

in niedrigeres CA19-9 und normales Serum-albumin waren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von DC12 verbunden. Das Gesamtüber-leben von Patient:innen mit DC12 war signifikant höher als bei Patient:innen mit früher Progression unter zwölf Wochen. Diese Erkenntnis selektiert zwar ein Kollektiv, welches sich in der Prognose etwas positiver abzeichnet, erklärt und löst aber nicht das derzeit generelle Problem der Therapieresistenz, weder mit zytotoxischen noch mit zielführenden Substanzen.

Nachdem die kurative chirurgische Intervention aufgrund bislang fehlender Optio-nen zur Frühdiagnostik nur im geringen Umfang möglich ist, gilt als Zielsetzung in der palliativen Situation, das Überleben bei guter Lebensqualität zu verlängern. Eine Tumorverkleinerung, sogenanntes downsizing und down bei der desmoplastischen Stromareaktion, einer für das Pankreaskarzinom typischen reaktiven Bindegewebsvermehrung um Karzinomherde herum und die frühe ausgedehnte perineural und Lymphgefäßinvasion, erschweren eine definitiv effektive konventionelle Systemtherapie.

Tumor zytotoxisch schwer zu erreichen

Die desmoplastische Stromareaktion führt meist zu einer lokal verminderten Vaskularisation und damit verminderter Zufuhr gleich welcher tumortoxischer Medikamente. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll nach arterieller Infu-ion von Methylen- oder Indigocarminblau über den Truncus coeliacus beziehungsweise die Arteria hepatica communis. Das Pankreaskarzinom selbst färbt sich dabei nicht oder nur schwach blau. Lebermetastasen desselben Tumors mit uneingeschränkter arterieller Vaskularisation färben sich intensiv blau, wesentlich stärker als das umgebende Lebergewebe (Abb. 1). Entsprechend gut, mit 70–80%, sind die Ansprechraten von Lebermetastasen des Pankreaskarzinoms unter intra-arterieller Therapie. Mit 20-30% vergleichsweise niedrig sind die Ansprechraten des entsprechenden Primärtumors.

Intra-arteriell versus systemisch

Eine verbesserte Zytostatikaexposition im meist schlecht vaskularisierten Zielgebiet kann nur durch eine Erhöhung der lokalen Zytostatikakonzentration erreicht werden. Dies wurde in einer randomisierten Studie untersucht, in der die intra-arterielle und systemische Chemotherapie des Pankreaskarzinoms verglichen wurden. Die Studie musste jedoch aufgrund hochüberlegener Überlebenszeiten in der intra-arteriell therapierten Patient:innengruppe aus ethischen Gründen frühzeitig abgebrochen werden4. In einer kollektiven Publikation von fünf weiteren randomisierten Studien an insgesamt 298 Patient:innen wurde die Überlegenheit der intra-arteriellen Chemotherapie beim Pankreaskarzinom bestätigt5.

In einer Kohortenstudie an 454 Patient:innen mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom wurde die konventionelle intra-arterielle Infusion über den Truncus coeliacus der isolierten Perfusionstherapie mit erhöhter Zytostatikaexposition gegenübergestellt6,7. Dabei zeigte sich eine statis-tisch signifikante Überlegenheit der isolierten Oberbauchperfusionstherapie gegenüber der alleinigen intra-arteriellen Infusionstherapie. Die 1-Jahresüberlebensrate ist bei intra-arterieller Infusion gegenüber isolierter Perfusion im Stadium III von 22,8% auf 49,4% angestiegen, während die 3-Jahresüberlebensrate von 2,3% bei i. a. gegenüber 21,7% bei isolierter Perfusion gesteigert werden konnte. Selbst im Stadium IV überlebten noch 7,7% der Patient:innen nach isolierter Perfusion drei Jahre.

Von entscheidendem Interesse ist die Verlängerung der medianen Überlebenszeit von sechs  auf neun Monate von nal-IRI+5-FU gegenüber regionaler Perfusionschemotherapie und der 12-Monate-Überlebensrate von ca. 5% (nal-IRI, 5-FU, Leucovorin) gegenüber 40% nach isolierter Oberbauchperfusion.

Diese Daten sprechen dafür, dass eine Verbesserung der lokalen Effektivität einer Chemotherapie nur durch Steigerung der lokalen Zytostatikaapplikation mit einer intra-arteriellen Infusion, besser noch isolierten Perfusion, erreicht werden kann.

Toxizität und Nebenwirkungen

Für Patient:innen von besonderer Bedeutung ist die Erhaltung der Lebensqualität unter regionalen, intra-arteriellen Therapien. Bei isolierten Perfusionen mit höheren Zytostatikadosierungen als bei intra-arteriellen Infusionstherapien wird grundsätzlich am Ende des isolierten Perfusionsintervalls eine sogenannte Chemofiltration zur Eliminierung bzw. Reduzierung der residualen Zytostatikamenge im Blutkreislauf über ca. 30 Minuten durchgeführt. Knochenmarkssuppression Grad I–II trat bei 8,6% der Patient:innen  nach intra-arterieller Infusionschemotherapie und bei 25,8% nach isolierter Oberbauchperfusion -(UAP-F) auf. Grad III–IV wurde nur bei multipel systemisch vortherapierten Patient:innen (5%) beobachtet. Fatigue (10,4%) und Diarrhoen (5%) waren nur selten und von leichtem Verlauf.

Eine weitere Option in der klinischen Erprobung ist die Radiofrequenzablation, die sogenannte Elektrochemotherapie, kombiniert mit intra-arterieller Zytostatikainfusion, mit welcher versucht wird, die desmoplastisch-bedingte Minderblutversorgung zu umgehen und die lokale Wirkung der lokalen Zytostatikaapplikation noch weiter zu potenzieren – zumindest die ersten Ergebnisse sprechen hierfür und wir evaluieren diese Kombinationstherapie aktuell.

Der wesentliche Vorteil regionaler Therapieverfahren beim Pankreaskarzinom liegt in der sehr guten Verträglichkeit bei Erhalt der Lebensqualität und so wie es sich abzeichnet auch in verbesserter Lebensdauer.

Pankreaskarzinom in Zahlen

Das Pankreaskarzinom gilt als der bösartigste Tumor mit infauster Prognose. Jährlich erkranken in Deutschland circa 15.000 Menschen am diesem Krebs, welcher mit 6–7,5% aller Todesfälle bei malignen Erkrankungen den vierten Platz belegt. Damit liegt die jährliche Mortalitätsrate nahe an der Inzidenz der aufgetretenen Pankreaskarzinome.
In den „Cancer Statistics 2021“ der USA liegt das Verhältnis der Todesfälle zu Neuerkrankungen des Pankreaskarzinoms mit 80% an der Spitze im Vergleich zu Lebertumoren mit 7%, Dickdarmtumoren mit 51% und dem Magenkarzinom mit 42% an jährlichen Todesfällen1. Die Trends in der Krebsmortalität zeigen ab 1990 eine deutlich fallende Tendenz vor allem für das Bronchialkarzinom, das kolorektale Karzinom und das Prostatakarzinom. Die Sterblichkeit beim Pankreaskarzinom bleibt hingegen weltweit seit zwei Jahrzehnten unverändert2.
Zu den Risikofaktoren zählen sowohl Tabakkonsum, Übergewicht, exzessiver Alkoholkonsum und Diabetes als auch hohes Alter. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern zwischen 70 und 74 Jahren, bei Frauen darüber. Den größten Einfluss auf die schlechte Prognose hat der lange asymptomatische Verlauf der Krankheit. Bei Auftreten der ersten Symptome sind 80–90% der Tumore bereits inoperabel.

Prof. Dr. med. Karl R. Aigner, PD Dr. med. Yogesh K. Vashist, Medias Klinikum Burghausen

Literatur: 1. Siegel RL, Miller KD, Fuchs HE, Jemal A. Cancer Statistics, 2021. CA CANCER J CLIN 2021;71:7–33. DOI: 10.3322/caac.21654.

2. Yeh C, Bates SE. Two decades of research toward the treatment of locally advanced and metastatic pancreatic cancer: Remarkable effort and limited gain. Seminars in Oncology 48 (2021) 34–46. DOI: 10.1053/j.seminoncol.2021.01.001

3.Batra A, Tang P, Cheung WY. Prognostic Significance of Disease Control at 12 Weeks in Patients With Advanced Pancreatic Cancer Receiving FOLFIRINOX as First-line Chemotherapy. Am J Clin Oncol. 2021 Oct 1;44(10):519-525. DOI: 10.1097/COC.0000000000000856

4. Aigner KR, Gailhofer S, Kopp S. Regional versus Systemic Chemotherapy for Advanced Pancreatic Cancer: A Randomized Study. In: Hepato-Gastroenterology 1998; 45: 1125-1129.

5. Liu F, Tang Y et al. Regional Intra-Arterial vs. Systemic Chemotherapy for Advanced Pancreatic Cancer: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. PLoS ONE 2012; 7(7): e40847. DOI: doi:10.1371/journal.pone.0040847.

6. Aigner KR, Gailhofer S, Selak E, Aigner K. Intra-arterial infusion chemotherapy versus isolated upper abdominal perfusion for advanced pancreatic cancer: a retrospective cohort study on 454 patients. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology DOI: https://doi.org/10.1007/s00432-019-03019-6.

7. Aigner KR, Gailhofer S, Ben-Ari G: Systemic and Regional Chemotherapy for Advanced and Metastasized Pancreatic Cancer. In: Induction Chemotherapy, Systemic and Locoregional. Karl Reinhard Aigner, Frederick O. Stephens (eds), Springer Press, pp 243-251, 2016.

Bildquelle: © Jo Panuwat D – stock.adobe.com

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