Allein in Deutschland leiden rund sieben Millionen Menschen an altersabhängiger Makuladegeneration (AMD), einer der häufigsten Ursachen für schweren Sehverlust. Innovative Therapieansätze wie der Einsatz neuer Medikamente, künstlicher Intelligenz, einer Gentherapie oder von Implantaten versprechen zukünftig bessere Therapieergebnisse bei der Behandlung.
Über die neuen Behandlungsansätze in der Therapie der AMD informierte die Stiftung Auge bei einer Pressekonferenz Anfang Juni. Ihr Vorsitzender Prof. Dr. Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn, stellte die künftigen Optionen vor. Für die exsudative, feuchte Form der AMD konnte mit der Einführung der Anti-VEGF-Präparate, die mittels Spritze unmittelbar in das Auge verabreicht werden, ein Therapiedurchbruch erzielt werden. Allerdings muss diese Injektionstherapie über einen langen Zeitraum in hoher Frequenz durchgeführt werden. Dabei sind die Verläufe individuell sehr variabel, was eine unterschiedliche Applikationshäufigkeit zur Folge hat. Mitunter muss in vierwöchentlichen Abständen behandelt werden, was bei vielen Patientinnen und Patienten mit erheblichem Aufwand und großen Belastungen verbunden ist. Eine zuletzt durchgeführte Umfrage der EURETINA unter Netzhautspezialisten in Europa hat ergeben, dass nur etwa 59 Prozent aller Betroffenen ihre Termine tatsächlich wahrnehmen. Dabei führt das Ausbleiben einer erforderlichen Behandlung in der Regel zu irreversiblen Sehverlust. Vor diesem Hintergrund wurden und werden Therapieansätze verfolgt mit Medikamenten beziehungsweise Verfahren, die eine längere Wirkdauer aufweisen.
Neue Präparate bei feuchter AMD
Das Präparat Brolucizumab ist mittlerweile in Deutschland und Europa zugelassen. Studien haben gezeigt, dass etwa 75 Prozent der Patientinnen und Patienten, die mit feuchter AMD mit diesem Präparat behandelt wurden, mit Injektionen im Dreimonatsabstand auskommen. Dies könnte im Langzeitverlauf bei der Lösung von Adhärenzproblemen helfen und einen Beitrag dazu leisten, dass Unterdosierungen eher vermieden werden können. Gleichzeitig geht aus den Studiendaten hervor, dass ein stärker trocknender Effekt auf das Makulaödem beobachtet werden kann. Dies kann mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) präzise am Patientenauge bestimmt werden.
Ein weiterer neuer Therapieansatz stellt das Präparat Faricimab dar. Dabei handelt es sich um einen bispezifischen Antikörper, der gleich in zwei krankheitsrelevante Stoffwechselwege eingreift, indem er neben VEGF auch Angiopoetin 2 hemmt. Die in 2022 veröffentlichten Studienergebnisse zeigen die Wirksamkeit und Sicherheit der kombinierten Inhibition. Dabei konnte die Sehkraft auch bei einem hohen Anteil der Behandelten mit viermonatlichen Injektionsintervallen gehalten werden. Das Präparat ist in den USA bereits zugelassen. Mit einer Zulassung in Deutschland und in Europa wird demnächst gerechnet.
Reservoir im Auge
Neu ist ebenfalls das „Port Delivery System” PDS. Dabei wird ein permanentes, nachfüllbares intraokulares Implantat in Form eines Reservoirs an der Augenhöhle mikrochirurgisch verankert, welches kontinuierlich den Wirkstoff Ranibizumab, einen VEGF-Hemmer, in das Augeninnere abgibt. Damit werden Wirkdauern über sehr viele Monate erreicht, bevor eine Wiederauffüllung erforderlich ist. Außerdem werden nahezu identische Sehschärferesultate erzielt wie bei häufiger repetitiver Injektion in das Auge. Der überwiegende Teil der befragten Betroffenen, die zuvor konventionell behandelt wurden, gab eine starke Präferenz für dieses neue Therapieverfahren an.
Medikament bei trockener AMD
Für die trockene Spätform der AMD, die geographische Atrophie, steht bislang noch kein zugelassenes Medikament zur Verfügung. Zuletzt konnten erstmals positive Phase-3-Studiendaten einen positiven Effekt von Pegcetacoplan zeigen. Es handelt sich dabei um ein Präparat, welches die Aktivität des Komplementsystems hemmt. Voruntersuchungen haben gezeigt, dass dieses System eine wichtige Rolle bei der Entstehung der AMD spielt. Bei Studienteilnehmenden konnte das Fortschreiten der Degeneration verlangsamt werden. Dabei wird zwar keine Verbesserung der zentralen Sehschärfe erreicht. Die Therapieeffekte sind jedoch klinisch relevant, weil durch einen rechtzeitigen Einsatz beim Auftreten der Erkrankung der Makulabereich länger geschützt werden könnte. Das Medikament müsste allerdings auch repetitiv monatlich oder alle zwei Monate injiziert werden.
Gentherapie
Gentherapie-Ansätze für beide Spätformen zielen darauf ab, dass nur eine einmalige Behandlung erforderlich ist, welche dann lebenslang wirken soll. Tatsächlich befinden sich solche gentherapeutischen Ansätze auch für die AMD bereits in klinischer Prüfung. Unter Gentherapie versteht man hier allgemein das Einbringen einer therapeutischen Nukleinsäure in betroffene Netzhautzellen einer Patientin oder eines Patienten. Das erste gentherapeutische Arzneimittel, Voretigene Neparvovec, wurde kürzlich von der Europäischen Zulassungsbehörde für die Behandlung einer schweren erblichen Netzhautdegeneration zugelassen. Zur Durchführung der Gentherapie erfolgt ein mikrochirurgischer Eingriff, bei dem zunächst der Glaskörper mittels Vitrektomie unter dem OP-Mikroskop entfernt wird. Anschließend wird das Präparat über eine hauchdünne Kanüle unter die Netzhaut am Augenhintergrund injiziert.
Künstliche Intelligenz
Zur präziseren Individualisierung der Therapie bei der feuchten AMD wurden zuletzt auch Verfahren der künstlichen Intelligenz eingesetzt, die dabei helfen, bildgebende diagnostische Aufnahmen (vor allem OCT) der Netzhaut automatisiert auszuwerten. Neben einer akkurateren und zeitsparenden Diagnostik können aus den Bilddaten auch weitergehende Informationen gewonnen werden. So ist zuletzt von Pfau et al. die Möglichkeit der Vorhersagbarkeit von Injektionsintervallen aufgezeigt worden. Dies wäre auch bei der Auswahl des jeweiligen Therapieverfahrens hilfreich, je nachdem, ob Betroffene in der Zukunft einer hohen oder niedrigen Frequenz an Behandlungen bedürfen.
Quelle: Online-Pressekonferenz der Stiftung Auge am 1. Juni 2022
Bildquelle: BVA



