Auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Freitag in Berlin kritisierte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister, dass dringende Strukturreformen, die schnell zu einer Entlastung führen könnten, auf sich warten ließen. „Das meiste, was an Gesetzgebung in Aussicht steht, macht den Praxen das Leben nicht leichter, im Gegenteil.“
Zwar seien einige Gesetze in der Pipeline. „Aber: Die wirklich wichtigen, grundsätzlichen Fragen, wie etwa die einer besseren Steuerung der Versorgung, werden bislang nicht angegangen“, so Hofmeister. Krankenhausreform, Notfallreform, Steuerung – das seien die großen Themen, die jetzt zu Ende gebracht werden müssten. Dabei warnte Hofmeister vor „Pseudolösungen“ mit dem Ziel, mangelnde Arztzeit auffangen zu wollen, indem andere Gesundheitsberufe oder -angebote bis hin zum Einstieg von Supermärkten oder Drogeriemarktketten diese ersetzen sollen. Sein klares Fazit: „Es droht nicht nur eine Spirale der Deprofessionalisierung im Gesundheitswesen, sondern auch eine Bagatellisierung von Versorgung.“
Den Referentenentwurf für die Notfallreform beurteilte der KBV-Vize skeptisch: „Der vorliegende Entwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) enthält vernünftige Grundideen, aber in der Ausarbeitung setzt er strukturelle Fehlanreize und wurde offenkundig ohne eine realistische Einschätzung der vorhandenen Ressourcen formuliert.“ Dass beispielsweise noch mehr Integrierte Notfallzentren (INZ) errichtet werden sollen oder die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) einen fahrenden Dienst rund um die Uhr gewährleisten sollen, lehnte er ab. „Wir brauchen nicht noch weitere Versorgungsebenen und Versorgungsangebote, die den Menschen suggerieren, dass jeder jederzeit machen kann, was er oder sie will. Im Gegenteil: Wir brauchen endlich stringente Steuerung!“, so Hofmeister.
KBV sieht gefährliche Verschiebung durch Apothekenreform
KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner schlug mit Bezug auf die Apothekenreform in dieselbe Kerbe: Der Gesetzentwurf schaffe neue, unnötige Versorgungsangebote und „eine gefährliche Verschiebung von Kompetenzen, die voller Risiken für Patienten und für die Wirtschaftlichkeit der Versorgung ist“, so Steiner. „Gerade ärztliche Diagnostik, Indikationsstellung und Therapie sind eben keine Bausteine, die nach Belieben in andere Hände gelegt werden dürfen.“ Den Apothekern fehle für das Impfen, für die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente ohne ärztliche Verordnung und weitere ärztliche Aufgaben schlicht eines: die ärztliche Kompetenz. Tatsächliche Chancen, den Zugang zur Versorgung zu verbessern, sehe die KBV dagegen etwa in automatisierten Abgabestationen oder der direkten Medikamentenabgabe nach telepharmazeutischer Beratung, wenn Patienten in Notdienstpraxen oder beim Hausbesuch ein Medikament dringend benötigten. Dies habe man dem BMG nun auch im Rahmen der Notfallreform vorgeschlagen.



