Im ICD-11 ist es möglich negative Affektivität als eine von fünf Persönlichkeitsmerkmalen zu kodieren, wenn die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gestellt wird. Differentialdiagnostisch zu unterscheiden von der negativen Affektivität als Persönlichkeitsmerkmal ist die negative Affektivität als Kardinalsymptom bei affektiven Störungen. Im Unterschied zur Persönlichkeitsstörung tritt negative Affektivität bei den affektiven Störungen in einer klar abgrenzbaren Episode auf (Zustandsstörung, state disorder). Persönlichkeitsmerkmale hingegen sind zwar auch zeitlich veränderbar, weisen aber, im Vergleich zu den Symptomen einer Episode, eine zeitliche Stabilität von mindestens zwei Jahren auf (Eigenschaftsstörung, trait disorder). Allerdings tritt eine Genesung innerhalb von zwei Jahren bei weniger als 60 % der Betroffenen einer bipolaren Störung und 20 % der Betroffenen einer depressiven Störung auf. Weiterhin gibt es anhaltende affektive Störungen wie die zyklothyme Störung und die dysthyme Störung mit einem Zeitkriterium von zwei Jahren. Anhand der neuen Kategorie negative Affektivität in ICD-11 wird deutlich, dass das Problem der psychiatrischen Diagnosen trotz aller Neuerungen darin besteht, dass die Diagnosesysteme weiterhin deskriptiv vorgehen.
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