Bei der Gen Z (Jahrgänge 1995 bis 2010) steht die Vier-Tage-Woche hoch im Kurs, verspricht sie doch die perfekte Work-Life-Balance ohne Gehaltsverluste. Auch im Krankenhaus wird sie hier und da schon in der Pflege ausprobiert. Das Klinikum Fürth mit seiner Klinik für Urologie ist nun die erste stationäre Einrichtung, die auch im Operationssaal testweise die Vier-Tage einführt (KU Gesundheitsmanagement). Aber was bringt das Fließband im OP?

Seit Monatsanfang testet das Klinikum Fürth in einem sechsmonatigen Pilotprojekt die Vier-Tage-Woche im OP. Prof. Christoph Raspé, Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie und stellv. Ärztlicher Direktor des Klinikum Fürth, war hellauf begeistert. „Laut unserer Recherche sind wir damit deutschlandweit die erste Klinik, die dieses neue Arbeitszeitmodell im OP wagt. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei: Was im OP lange Zeit undenkbar schien, wird nun Realität.“
Reduzierte Belastungsspitzen oder Burn-out?
Geradezu prädestiniert sei das hippe Arbeitszeitmodell für die Operationssäle des Klinikums, wo bekanntlich das Geld verdient wird. „Im OP kommt es vor allem werktags in der Kernarbeitszeit von 7.30 Uhr bis 15 Uhr durch geplante OPs, ungeplant längere OP-Zeiten, zusätzliche Notfälle oder dringliche Eingriffe zu einer extrem hohen Arbeitsbelastung, die mit Überstunden für die Mitarbeitenden verbunden ist. Durch die im Rahmen dieses neuen Arbeitszeitmodells geplant längeren Arbeitszeiten an vier Tagen können wir die Belastungsspitzen und damit auch Überstunden reduzieren“, erläutert Prof. Raspé.
Alles wird im OP besser, wenn der Operationssaal zum Fließband mit hoher Taktung ohne Gemeckere der Ärztinnen, Ärzte und OP-Kräfte wird. Für die Mitarbeitenden führe die Vier-Tage-Woche zu einer deutlich besseren Work-Life-Balance: Waren vorher elf Dienste in 14 Tagen zu besetzen, werden es zukünftig nur noch acht bis neun Dienste in 14 Tagen sein. Statt drei freien Tagen in zwei Wochen sind es nun sechs freie Tage in zwei Wochen ohne Gehaltsverlust. Nicht nur dem Personal tut das gut, weil die schöne neue Welt der Work-Life-Balance endlich Realität wird, sondern auch die Patienten genießen höhere Versorgungsqualität, weil sie längere Zeit dieselben Gesichter ohne Wechsel und Übergabe im OP sehen.
Das Skalpell muss flott in der Hand liegen
Wunderbar – Operationen am Fließband machen die OP-Teams motivierter, glücklicher, produktiver und ausgeruhter. Die OP-Teams arbeiten besser, haben weniger Fehlzeiten und sind irgendwie glücklich, weil sie so viel Zeit für Familie, Freunde und Freizeit haben. Die Geschäftsführung im Klinikum Fürth freut sich auch, denn der Krankenstand ist geringer, die Angestellten sind motivierter und das Skalpell liegt auch flotter in der Hand. Die Fließband-Taktung im OP funktioniert besser, weil der Fall-Durchsatz höher ist.
Das sind unschätzbare Vorteile in Zeiten des Fachkräfte- und Geldmangels im Krankenhaus. Aber ein paar Nachteile hat die Vier-Tage-Woch dann auch. Ein Burn-out wird wahrscheinlicher, weil OP-Teams dasselbe Arbeitspensum in geringerer Zeit leisten müssen. Längere Arbeitszeit pro Tag bedeutet, dass Familie und Hobbys an diesen langen Arbeitstagen durchaus schwerer unter einen Hut zu bringen sind. Hohe OP-Auslastung und individueller Stress könnten auch zu mehr Fehlern und Erkrankungen führen.
Müssen Notfälle warten?
Und was ist mit den Notfällen? Müssen die warten oder wird die Arbeitszeit dann noch mal verlängert, um das erhöhte Pensum im OP plus Notfälle an einem Tag erledigen zu können. Dann wird es noch später im OP. Reichen dann Kraft und Konzentration noch aus, um auch den letzten Fall des Tages fehlerfrei operieren zu können? Zumindest in sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern sollte man genau hinschauen, ob diese Segnung wirklich so segensreich ist. Schließlich könnte sich das Heilsversprechen im OP auch als Mogelpackung erweisen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum
Bildquelle:© Klinikum Fürth



