Kein anderes Reformelement des Bundesministeriums für Gesundheit legt so schonungslos die Axt an die Wurzel des in Krankenhaus und Praxis sektorierten Gesundheitssystems wie die Hybrid-DRG. Dies wurde am 4. Juni am Parlamentarischen Abend der DGU in Berlin deutlich. Die Interessenskonflikte wurden nur mühsam überdeckt.
Der Parlamentarischer Abend der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin stand unter dem Thema „Das deutsche Gesundheitssystem in Veränderung – Chancen erkennen und Risiken benennen“. Es ging um die Krankenhausreform, mehr aber noch um die anstehende massive Ambulantisierung sowie die Hybrid-DRGs in Klinik und Praxis.

Harnleitersteine und Eingriffe am Hoden und Nebenhoden sind Hybrid-DRGs
Insgesamt 271 Operationen hat die Selbstverwaltung auf Anweisung des Gesetzgebers als ambulant möglich definiert und in den Hybrid-DRG-Katalog eingruppiert. Das ist bislang wenig, aber soll ausgeweitet werden. Die interessantesten urologischen Eingriffe sind die Entfernung von Harnleitersteinen und onkologische Prozeduren am Hoden und Nebenhoden. „Die Vergütung der Hybrid-DRGs liegt auf der Hälfte zwischen EBM und DRG“, teilte Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, am Parlamentarischen Abend, mit.
Lautes Klagen gehört bekanntlich zum PR-Handwerk, aber man muss sagen, dass die Klagen aus dem niedergelassenen Lager deutlich leiser waren. ZI-Chef von Stillfried sagte das so: „Die Abrechnung des stationär abrechenbaren Teils, der Hybrid-DRG und der EBM-Vergütung ergab für die als Hybrid-DRG definierten Leistungen, dass die Hybrid-Vergütung aus Sicht der urologischen Praxis durchaus attraktiv sein kann, wenn sich die Sachkosten im Rahmen halten.“
Das Einreißen der intersektoralen Mauer erfasst derzeit noch sehr wenige der ambulantisierbaren Leistungen. „Deshalb wäre es aus unserer Sicht sehr wichtig, den Katalog der Hybrid-DRGs deutlich zu erweitern. Die Verweildauer sollte auf drei Tage erweitert werden, und die Preise so gesetzt werden, dass die Anreize zur strategischen Verschiebung und Leistungserbringung minimiert werden“, betonte Dr. von Stillfried. Ein Sorgenkind in der Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) sind die Sachkosten, die dort extra berechnet werden, während sie in der Hybrid-DRG pauschaliert enthalten sind. Aus der Perspektive der EBM-Abrechnung werden sehr unterschiedliche Anforderungen pauschal vergütet. Da die regulären DRGs nach wie vor existieren, könnte es zu Fehlanreizen führen, befürchtet das ZI.
ZI favorisiert Vergütung mit Zeitkomponente
Grundsätzlich sah von Stillfried für Krankenhaus und Praxis die Gefahr, dass Geld verloren gehen könnte. „Wir halten es für wünschenswert, wenn eine Differenzierung der Vergütung entlang der Zeitschiene ermöglicht würde. Das ist günstiger als eine pauschalisierte Vergütung.“ Der § 115 f SGB V basiert ja auf der Überlegung, die Mauer zwischen dem Krankenhaus-Bereich und dem vertragsärztlichen Bereich einzureißen und Hybrid-DRGs einzuführen. Es soll eine sektorgleiche Vergütung geben. Eine ambulante Operation wird identisch vergütet, egal ob sie in der Praxis oder am Krankenhaus erbracht wird. Der Startkatalog ist schmal, weil nur Fälle bis zu maximal einer Übernachtung einbezogen wurden, also BCCL < 3 (klinischer Komplexitätsgrad < 3).
Berufsverband zeigt sich offen für Hybrid-DRGs
Ein positives Statement zu den Hybrid-DRGs war auch von Vertretern des Berufsverbands der Deutschen Urologie (BvDU) zu hören. So sagte BvDU-Präsident Dr. Axel Belusa klar: „Die Hybrid-DRGs sind eine Chance für die niedergelassenen Urologen und werden von uns positiv beurteilt.“ Da es ohnehin keine doppelte Facharztschiene gebe, sondern eine komplementäre, sich ergänzende aus Kliniken und Praxen, stehe das Thema oben auf der Tagesordnung. Im Hinblick auf die Weiterbildung unterstrich Belusa: „Die sektorenübergreifende Finanzierung der Weiterbildung kann nur mit Bundesmitteln gelingen.“
Diese Aussagen stehen in gewissem Widerspruch zum gemeinsamen Kompromisspapier der DGU und des BvDU. Dort heißt es, dass ambulante Operationen weder im Krankenhaus noch in der Praxis kostendeckend erbracht werden könnten. Hintergrund sei die nicht berücksichtigte Erstattung der Sachkosten auf dem Gebiet der Urologie. Das falle besonders bei der Hybrid-DRG für Harnsteine ins Gewicht, bei deren operativer Entfernung sehr hohe Sachkosten anfielen.
DGU-Präsident sah „Grenzen der Ambulantisierung“
Etwas leiser klang die Begeisterung, etwas lauter die Kritik, als Prof. Jürgen E. Gschwend, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie, über „Grenzen der Ambulantisierung am Beispiel der Uroonkologie“ sprach. Diese Grenzen der ambulanten Uroonkologie zog Prof. Gschwend bei komplexen Fällen und multimorbiden, älteren Patienten. „Die Frage der Versorgung dieser Patienten postoperativ daheim darf man nicht aus dem Auge verlieren, wenn man über Hybrid-DRGs spricht. Oft bleibt nichts anderes, als diese Patienten drei Tage lang stationär im Krankenhaus zu lassen“, bekannte Gschwend. Die radikalen Operationen an Prostata, Niere und Blase sowie Notfälle, schwere postoperative Komplikationen, Urosepsis und Blutungskomplikationen seien eindeutige Indikationen für stationäre Behandlungen. Ähnliches gelte auch für die komplizierte Palliativversorgung im Rahmen der SAPV.
„Das alles geht sicher nicht ambulant! Ein dreitägiger stationärer Aufenthalt wiederum wird durch die Hybrid-DRG nicht ausreichend vergütet“, verdeutlichte der DGU-Präsident das Dilemma. Besonders kritisch sah Gschwend die Ambulantisierung der transurethralen Blasentumorresektion beim nicht muskelinvasiven und beim muskelinvasiven Tumor. Die Operation sei hochkomplex und strengen Qualitätskriterien unterworfen. Notwendige Nachresektionen verursachten extra Kosten und Risiken. Es gehe auch nicht ohne eine nur stationär mögliche, kontinuierliche Dauerspülung der Blase nach Resektion. Der positive Einfluss der Spülung auf die Rezidivrate sei nicht von der Hand zu weisen.
Generell stoße die Ambulantisierung in der Uroonkologie auf eine Reihe von Herausforderungen. „Komplexe, risikobehaftete Eingriffe benötigen ganz einfach eine stationäre Überwachung. Ist es gerecht, diese komplexe Behandlung einfach in der Hybrid-DRG niedriger zu vergüten als zuvor mit der stationären Vergütung?“, fragte Gschwend nach. Ein weiterer Aspekt sei die medizinische Infrastruktur. Ambulanzen und Tageskliniken müssten erstmal aufgerüstet werden, um die technischen und baulichen Voraussetzungen zu erfüllen. Das werde den Klinika hohe Investitionskosten verursachen. Natürlich müsse die Patientensicherheit auch im ambulanten Setting jederzeit gewährleistet sein.
„Die Kostenreduktion bei ambulanten Operationen“, so Prof. Gschwend, „erfolgt zu Lasten der Krankenhäuser, die diese ganzen Vorhaltekosten tragen müssen.“ All diese Risiken dürften auch angesichts der onkologischen Bedeutung der Urologie nicht aus dem Blick verloren werden. „Die Urologie versorgt 41% aller Tumore und ist das stärkste onkologische Fachgebiet überhaupt.“
Bauchweh bei der Finanzierung der Hybrid-DRG
Auf den Magen sind die Hybrid-DRG Prof. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des Vorstands der DGU, geschlagen. „Ich habe Bauchweh wegen der Finanzierung der Hybrid-DRGs, denn letzten Endes bedeutet es eine deutliche Abstufung des Erlöses, die man nicht damit kompensieren kann, dass die Patienten weniger Übernachtungen im Krankenhaus haben.“ Michel zeigte sich unsicher angesichts der Frage, ob die Hybrid-DRG wie die regulären Fallpauschalen an die Kostenentwicklung angepasst werden. „Wenn die Hybrid-DRG nicht „nachgefahren“ werden, wird es eines Tages gar nicht mehr weitergehen. Einmal-Materialien und sonstige Sachkosten sind notwendig und müssen kalkuliert werden“, unterstrich der DGU-Generalsekretär.
Unweigerlich sortiere der DRG-Grouper derzeit jeden Harnleiterstein in die Hybrid-DRG – ungeachtet der Kontextfaktoren. Obendrauf kommt nur die Übernachtungs-Pflegepauschale als kleiner Zuschlag. „Aber was passiert mit älteren, multimorbiden Patienten? Ist die Finanzierung durch die Hybrid-DRG dann auskömmlich?“ Eine Reihe offener Fragen also, die vor allem die Klinik-Urologie befassen. Vielleicht ist die Axt ja dann doch zu scharf für einen Umbruch ohne Verletzungen im System.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum
Bilderquelle:© Runkel



