Um Patientinnen und Patienten wirksam psychotherapeutisch behandeln zu können, sind Praxiskompetenzen und eine realistische Bewertung dieser Kompetenzen essenziell. Wie gut können sich jedoch angehende Psychotherapeutinnen und -therapeuten selbst einschätzen? Eine aktuelle Studie der Universität Mannheim zeigt: Die Selbsteinschätzung der eigenen therapeutischen Kompetenzen weicht oft erheblich von der Bewertung durch Expertinnen und Experten ab – mit potenziellen Folgen für Ausbildung und Praxis.
Die Studie wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Georg W. Alpers am Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie und Psychotherapie der Universität Mannheim durchgeführt und ist in der Fachzeitschrift Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie erschienen.
Im Rahmen eines Gesprächsführungspraktikums führten 39 Masterstudierende des Studiengangs Klinische Psychologie und Psychotherapie Anamnesegespräche mit zuvor geschulten Simulationspatientinnen und -patienten. Anschließend bewerteten die Studierenden ihre eigenen therapeutischen Fähigkeiten. Diese Selbsteinschätzungen wurden mit den Bewertungen geschulter Expertinnen und Experten verglichen, die die Gespräche als Videoaufzeichnung zur Verfügung gestellt bekamen.
Das Ergebnis: Die Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbewertung war gering. Vor allem Studierende mit überdurchschnittlich guter Leistung tendierten dazu, ihre Kompetenzen zu unterschätzen. Leistungsschwächere Studierende hingegen überschätzten oft ihre Fähigkeiten. Diese Gruppe machte etwa ein Drittel der befragten Studierenden aus. Ein weiterer Befund: Studierende mit hoher therapeutischer Selbstwirksamkeitserwartung vor dem Praktikum bewerteten ihre Kompetenzen positiver, unabhängig von der tatsächlichen Leistung.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Selbstreflexion allein nicht ausreicht, um die eigenen Kompetenzen realistisch einzuschätzen“, sagt wissenschaftliche Mitarbeiterin und Erstautorin Dr. Laura-Ashley Fraunfelter. „Es braucht gezielte Rückmeldungen und Trainings, um Verzerrungen in der Selbstwahrnehmung zu erkennen und zu korrigieren.“
„Individuelles Feedback von Lehrenden oder geschulten Fachleuten ist zwar aufwendig und teuer“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Georg W. Alpers, „aber die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass man auf diese Rückmeldungen nicht verzichten sollte, um die Studierenden bestmöglich auszubilden.“
Um dies umzusetzen, wurde am Lehrstuhl von Alpers das Schauspiel-Programm entwickelt, bei dem angehende Psychotherapeutinnen und -therapeuten schwierige Gesprächssituationen einüben können. Unterstützung dafür gab es durch ein neues Programm des Wissenschaftsministeriums im Rahmen des „Fonds erfolgreich Studieren in Baden-Württemberg“.
Quelle: Lindla Schädler, Universität Mannheim (idw, 28.5.25)
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