Die S1-Leitlinie „Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) im Erwachsenenalter“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie wurde überarbeitet und neu publiziert. Die federführenden Autoren, PD Dr. Christoph Leithner, Berlin, und Prof. Dr. Andreas Bender, München und Burgau, legen mit der umfassenden Aktualisierung eine Leitlinie vor, die das gegenwärtige Wissen zur Diagnostik, Therapie und Langzeitverlauf der HIE widerspiegelt. Die neuen Empfehlungen basieren auf aktuellen Studienergebnissen und internationalen Leitlinien.
Die aktualisierte S1-Leitlinie gibt einen umfassenden Überblick zur Diagnostik mit einem starken Fokus auf die neurologische Prognosediagnostik, Therapie der HIE und Langzeitverlauf. Darüber hinaus beleuchtet sie ethische und medizinrechtliche Aspekte.
Da die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit HIE eine interdisziplinäre Aufgabe ist, bei der sowohl neurologisches als auch kardiologisches, intensivmedizinisches und neurorehabilitatives Fachwissen sowie Kenntnis medizinethischer Aspekte erforderlich sind, wurde das Redaktionskomitee durch Vertreter der entsprechenden Fachgesellschaften besetzt.
Neues zur Prognosediagnostik
Viele der Aktualisierungen betreffen die frühe neurologische Prognosediagnostik während der Behandlung reanimierter Patient:innen auf der Intensivstation. Die Autorinnen und Autoren der DGN-Leitlinie sprechen Empfehlungen aus, die weitgehend mit denen der aktualisierten europäischen Leitlinie zur „Post Resuscitation Care“ von 2021 und einer gemeinsamen Leitlinie der amerikanischen Neurocritical Care Society und deutschen Gesellschaft für Neurointensivmedizin von 2023 übereinstimmen. Besonders betont wird die Notwendigkeit, eine neurologische Prognoseeinschätzung nicht zu früh vorzunehmen, stets eine multimodale Diagnostik durchzuführen, mögliche Störfaktoren aktiv zu bedenken und hohe Qualitätsstandards in Durchführung und Interpretation der Prognosediagnostik einzuhalten.
Seit der letzten Aktualisierung der Leitlinie sind zahlreiche neue Studien zur neurologischen Prognosediagnostik nach Reanimation erschienen, die zu einem besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen Untersuchungsbefunden und Ausprägung einer möglichen HIE beigetragen haben. EEG-Studien haben unter Verwendung einer einheitlichen Nomenklatur die prognostische Aussagekraft von ‚highly malignant‘ EEG-Mustern etabliert. SSEP-Studien konnten den Zusammenhang zwischen Amplituden der kortikalen Potenziale und Ausprägung der HIE zeigen. CCT-Studien haben ergeben, dass ein CCT zur Prognosediagnostik besser einige Tage später als unmittelbar nach der Reanimation durchgeführt werden sollte und die Möglichkeiten der Quantifizierung der CCT-Veränderungen herausgearbeitet. Mehrere größere Studien belegen, dass die Neurofilament-Leichtketten (NfL)-Serumkonzentration ein neuer, vielversprechender Prognoseparameter ist. Niedrige Serum-NfL-Werte könnten in der Zukunft bei vielen Patient:innen mit letztlich gutem Outcome bereits sehr früh (<24 Stunden nach Reanimation) belegen, dass keine HIE vorliegt. Aktuelle Studien aus Südkorea und Italien ergaben deutliche Hinweise gegen einen möglichen ‚Self-Fulfilling Prophecy‘ Effekt der Leitlinien-gemäßen Prognosediagnostik.
Die Leitlinie thematisiert nicht mehr die Rehabilitation
Das bisher in der Leitlinie zur HIE enthaltene Kapitel zur Rehabilitation wurde herausgenommen. Stattdessen verweisen die Autorinnen und Autoren auf die neue S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation e.V. (DGNR) „Neurologische Rehabilitation bei Koma und schwerer Bewusstseinsstörung im Erwachsenenalter“ (Bender et al.).
Quelle: DGN
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