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NeuroIntensiv- und Notfallmediziner: Kritische Stellungnahme der DGNI zum Krankenhaustranformationsfonds

NeuroIntensiv- und Notfallmediziner: Kritische Stellungnahme der DGNI zum Krankenhaustranformationsfonds

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mgo medizin

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Erschienen in: neuro aktuell

Die Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI) hat in einer Stellungnahme an das Bundesgesundheitsministerium (BfG) den Referentenentwurf zur Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung – KHTFV scharf kritisiert. Die zu erwartenden Klinikschließungen gefährdeten die dichte Infrastruktur von Kliniken – gerade aber die sei entscheidend für die Versorgung von Notfallpatienten, betonen die NeuroIntensiv- und Notfallmediziner.

Der Krankenhaustransformationsfonds soll Kliniken unterstützen, die Veränderungen, die sich infolge der am 01.01.2025 in Kraft getretenen Krankenhausreform ergeben, zu bewältigen. Dafür sollen 50 Mrd. Euro von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden. Schließungen von Kliniken sind zu erwarten, davon spricht auch der noch amtierende Bundesgesundheitsminister. Der Transformationsfonds fördert unter anderem personaltechnische und auch bauliche Rückbaumaßnahmen von Kliniken, die Abteilungen oder sogar ganze Standorte schließen wollen. Stattdessen sollen Strukturen gefördert werden, die die Vernetzung und Kooperationen zwischen Kliniken, insbesondere Fern-Medizin (Telemedizin) aufbauen.

Die DGNI sieht dies sehr kritisch und betont, dass in praktisch allen Gebieten in Deutschland bereits sehr gut funktionierende Netzwerke bestehen zur telemedizinischen Mitbetreuung von neurologischen und neurochirurgischen Notfällen – insbesondere des Schlaganfalls als zeitkritischstem Notfall. Die technischen Voraussetzungen für eine integrierte Versorgung dieser Erkrankungen seien auf dem Gebiet der neurologischen und neurochirurgischen Notfallversorgung bereits vorhanden. Eine exzellente flächendeckende Versorgung sei aber neben der Vernetzung auch unbedingt auf eine dichte Infrastruktur von Kliniken angewiesen. Diese schließe auch viele kleinere Kliniken ein, in denen diese Patienten aufgenommen, diagnostiziert und schnell primärbehandelt werden können. Sie leisteten damit einen enorm wichtigen Beitrag für die schnelle und kompetente Versorgung von Notfallpatienten. Diese sei durch die vom Transformationsfonds vorgesehene Förderung des Rückbaus von Abteilungen insbesondere in kleineren Kliniken gefährdet, die die geforderten Strukturvoraussetzungen zum Beispiel für Schlaganfalleinheiten nicht mehr erfüllen könnten oder deren Rentabilität nach Umsetzung der Krankenhausreform geringer wird.

Wie die DGNI betont, tragen kleinere Kliniken auch bei der aufwendigen intensivmedizinischen Versorgung wesentlich zur einer guten Flächenversorgung bei. Angesichts der begrenzten Zahl der Intensivbetten und der temporären Schließungen von Intensivbetten sei der Anreiz sehr hoch, intensivmedizinische Betten oder auch ganze Intensivstationen zu schließen, insbesondere wenn die Schließung mit einer Bundesförderung verbunden sei: „Hier besteht unseres Erachtens sogar Potenzial für Klinikbetreiber, aus dem Krankenhaustransformationsfonds Kapital zu schlagen, verbunden mit einer kritischen Kapazitätsverknappung“, so Prof. Dr. Thomas Westermaier, während des ANIM 2025-Kongresses Ende Januar in Berlin amtierender Präsident der DGNI.

Im Gegensatz zum Referentenentwurf zum Transformationsfonds sei der Ausbau von Netzwerken und die Implementierung von telemedizinischen Strukturen im kürzlich ebenfalls herausgegebenen Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Reform des Notfallwesens praktisch kein Thema: „Im Gegenteil sollten dort die Voraussetzungen an die Qualifikation des Personals für das Betreiben einer Notaufnahme verschärft werden. Hier ist keine Konsequenz der Politik zu erkennen, der rote Faden fehlt.“

Völlig unverständlich sei es, dass auch gänzlich unreife Systeme und Strukturen gefördert werden sollen. Im Kontext der telemedizinischen Strukturen sei auch der Auf- und Ausbau von Telechirurgie über robotische Systeme förderungswürdig. Diese Technik, ursprünglich mit dem Gedanken einer chirurgischen oder neurochirurgischen Spezialversorgung in Kampfgebieten erdacht, sei gerade in diesen medizinischen Spezialgebieten nicht brauchbar. Gerade kursierten die ersten Einzelberichte über eine technische Umsetzbarkeit über längere Distanzen, allerdings unter Anwesenheit eines kompletten chirurgischen Teams vor Ort. Sie könnte auf absehbare Zeit eine vor-Ort-Medizin nicht ersetzen. Deshalb dürfe auch kein Anreiz für eine Implementierung derartiger Systeme durch staatliche Förderungen gesetzt werden, zum Beispiel um diese Verfahren PR-wirksam zu verkaufen. Mit Nachdruck wird auf die Gefahr hingewiesen, dass das Setzen falscher Schwerpunkte zu einer Verschlechterung der Versorgung und Gefährdung von Patienten führe – etwa, wenn Klinikbetreiber eine im Wesentlichen unbrauchbare Ausstattung anschaffen. Dies wäre ein Abstieg in die Lazarettchirurgie.

Neben dem Inhalt der Verordnung wird auch das Vorgehen des BfG mit einer extrem kurzen Anhörungsfrist für die „Verordnung zur Verwaltung des Transformationsfonds im Krankenhausbereich“ von nur wenigen Tagen kritisiert, die den Verdacht aufkommen lässt, dass Kommentare von medizinischen Fachgesellschaften im Grunde gar nicht erwünscht seien und diese Verordnung aus politischen Gründen unbedingt noch in der verkürzten Legislaturperiode finalisiert werden sollte. Durch die kurze Anhörungsfrist dieses – im Hinblick auf die förderungswürdigen Maßnahmen – inhaltlich mangelhaften Entwurf sieht die DGNI den Versuch, dieses Folgeprodukt des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes in der verkürzten Legislaturperiode noch „durchzuquetschen“, wie Prof. Dr. Thomas Westermaier betont: „Während die Versorgung von Neuro-Notfallpatienten zeitkritisch ist, ist es diese Verordnung definitiv nicht.“

Quelle: Pressemitteilung der DGNI

Bilderquelle: © Conventus

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