Christian Leiber-Caspers
Im Februar 1973 vor jetzt mehr als 50 Jahren fand die erste Operation mit Einsetzen eines hydraulischen 3-Komponenten Penisschwellkörper-Implantates statt (▶ Abb. 1). Das Material wurde in den folgenden 5 Jahrzehnten immer weiter optimiert und die Operationstechnik kontinuierlich verbessert. Trotz dieser Fakten und einer hohen Anzahl von betroffenen Patienten, für die die Behandlung mit einem Penisimplantat medizinisch indiziert wäre, stagniert die Zahl der durchgeführten Penisimplantat-Operationen in Deutschland seit vielen Jahren. Wie kann das sein?

Der Pionier und Erfinder
Der Texaner Dr. F. Brantley Scott (*1930–1991) war ein echtes Multitalent. Neben seiner Tätigkeit als Urologe war er auch noch Schmuck-Designer, Farmer, Aeronaut, Musiker, Konstrukteur und Bildhauer. Nach seinem Studium an der Universität von Texas in Austin absolvierte er sein Medizinstudium an der Yale-Universität in Connecticut. Es folgten 2 Jahre Allgemein-Chirurgie Ausbildung im Barnes-Krankenhaus in St. Louis in Missouri und schließlich der Abschluss seiner urologischen Ausbildung am Baylor College of Medicine. Brantley Scott erfand neben dem hydraulischen Penisimplantat auch den ersten artifiziellen Sphinkter, über den er erstmalig im Jahr 1972 publizierte, und den nach ihm benannten Scott-Retraktor [1–3].
Fehlt die wissenschaftliche Evidenz?
Sucht man aktuell unter dem Begriff „Penisimplantat (= penile prothesis)“ bei PubMed so erhält man etwas mehr als 3.000 Artikel [4]. Bei der Suche nach „Penisprothesen Implantation (= penile prosthesis implantation)“ werden einem 1.873 Publikationen aufgelistet. Seit 2019 gab es jedes Jahr mehr als 150 neue wissenschaftliche Veröffentlichungen zu der Thematik. Auf Seite 52 der aktuellen und zuletzt im März 2024 in Teilen überarbeiteten Leitlinien der Europäischen Urologenvereinigung (EAU) [5] findet sich das Kapitel 5.6.11.2.1 „Penile prosthesis“ mit allen klinisch relevanten wissenschaftlichen Fakten. Daneben gibt es auch exzellente Monographien wie z. B. „Penile Implant Surgery“ [6] oder „Textbook of Urogenital Prosthetic Surgery“ [7] oder ganz neu „Penile Prosthetic Surgery“ [8] mit sehr vielen Expertentipps zur Operation eines hydraulischen Penisimplantats.
Ist das Risiko für Implantat-Infektionen zu hoch?
Aufgrund der Einführung von bereits primär Antibiotika-beschichteten Penisimplantaten bzw. einem hydrophilen Kunststoff in der Außenhülle, der eine Antibiotika-Imprägnierung mit einem Präparat der eigenen Wahl zulässt, konnte das Risiko für eine Implantat-Infektion in den letzten Jahren signifikant gesenkt werden. Während es bei Patienten mit erhöhtem Risiko (i. e. Diabetes mellitus) in der Ära vor der Antibiotika-Beschichtung noch bei 4,24 % lag, konnte es danach selbst in dieser Risikopopulation auf 1,62 % gesenkt werden [9]. Insgesamt geht man heute in Zentren mit einer hohen Fallzahl und entsprechenden Expertise von einer Infektionshäufigkeit von nur 1–2 % aus [10, 11].
Ist die Haltbarkeit des Implantat-Materials zu schlecht?
Nach 50 Jahren ständiger Optimierung bieten die verschiedenen Hersteller heute qualitativ sehr hochwertiges Implantatmaterial an. Neben der Form des Reservoirs wurden vor allem auch die skrotalen Pumpen immer weiter verbessert. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass nach 10 Jahren noch 80 % der Penisimplantate funktionstüchtig und in situ sind [12–14]. Selbst nach 15 Jahren zeigen noch 71,2 % aller Penisimplantate eine einwandfreie technische Funktion [13].
Gibt es zu viele Komplikationen?
Für das operative Einsetzen eines hydraulischen Penisimplantats haben sich drei Zugangswege (peno-skrotal, infrapubisch oder subcoronar) etabliert, die je nach Erfahrung des Operateurs und Patientengegebenheiten sinnvoll verwendet werden. Eine zusätzliche zweite Hautinzision zur Einbringung des Resevoirs ist nur in Einzelfällen notwendig. In Zentren mit einer hohen Frequenz von Penisimplantat-Operationen ist die Komplikationsrate gering [15, 16]. Dies stellt aber in Deutschland ein Problem dar, da hier nach der letzten großen Auswertung des Kollegen Baunacke [17] 86 % aller Kliniken ≤ 6 Fälle pro Jahr operieren. Nachdem es eine hohe wissenschaftliche Evidenz für die Ergebnisqualitätszunahme durch eine Standardisierung und höhere Fallzahl [18] gibt und der Gemeinsame Bundesausschuss bereits für verschiedene operative Eingriffe Mindestmengen festgelegt hat [19], sollte dies für den Bereich der Penisimplantat-Chirurgie sicher auch überlegt werden.
Sind die Patienten und Partnerinnen bzw. Partner unzufrieden?
Für kein anderes Therapieverfahren zur Behandlung der erektilen Dysfunktion werden so hohe Zufriedenheitsraten auf Seiten der betroffenen Patienten erreicht wie für die operative Therapie mit einem hydraulischen Penisimplantat. 92 % bis 100 % aller Männer geben an, dass sie „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis der Behandlung sind und mehr als 90 % aller Betroffenen würden die Operation erneut durchführen lassen oder ihrem besten Freund in einer ähnlichen Situation empfehlen [20–22]. Auf Seiten der Partnerinnen bzw. Partner zeigen sich mit 91 % bis 95 % Zufriedenheitsrate ebenfalls sehr gute Ergebnisse [23–25].
Sind die OP- und Materialkosten zu hoch?
Im Gegensatz zur Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Medikamenten werden die Kosten für die operative Therapie mit einem semirigiden oder hydraulischen Penisimplantat bei entsprechender medizinisch korrekter Indikation von allen gesetzlichen und privaten Krankenkassen in Deutschland erstattet. Für die Abrechnung kommen das DRG M03 C und das Zusatzentgelt Z58 zum Einsatz.
Fazit
Trotz all dieser Punkte, die für Penisimplantate sprechen, stagniert die Zahl der Operationen in Deutschland seit 20 Jahren bei ca. 800 Fällen pro Jahr [17]. Nur der Bereich der Penisimplantate bei Transmännern (Frau-zu-Mann Transidentität) hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Man darf davon ausgehen, dass es bei ca. 15.000 radikalen Prostatektomien/Jahr und mindestens 2 Millionen Männern mit Diabetes mellitus Typ 2 in Deutschland sehr viel mehr Patienten mit einer schweren organisch bedingten erektilen Dysfunktion ohne Ansprechen auf konservative Therapiemaßnahmen gibt, für die die Behandlung mit einem hydraulischen Penisimplantat eine gute und leitlinien-basierte Behandlungsoption wäre. Sorgen wir dafür, dass diese Patienten dem Behandlungsverfahren zugeführt werden, damit ihnen und ihren Partnerinnen/Partnern wieder eine erfüllte Sexualität mit sehr hohen Zufriedenheitsraten ermöglicht wird!
Literatur unter www.uroforum.de

Korrespondenzadresse:
Dr. med. Christian Leiber-Caspers
Sektionsleiter Andrologie, Oberarzt
Klinik für Urologie, Kinderurologie, Urogynäkologie, Andrologie
– Maria-Hilf-Krankenhaus Alexianer Krefeld GmbH
Dießemer Bruch 81
D – 47805 Krefeld



