Urologie » Harnsteine

»

Moderne endoskopische Steinsanierungsverfahren bei Nephrolithiasis im Vergleich: Vorteile für die Kombination von PNL und URS?

Abb. 3: intraoperative Röntgenbilder: a) Klassische ECIRS-Indikation: ausgedehnte Steinlast in mehrern Endkelchen der linken Niere, die vorauss. nicht mittels alleiniger Mini-PNL saniert werden kann b) ECIRS via flex. URS und mini-PNL* c) steinfreie Niere mit einliegender PCN und Mono-J.

Moderne endoskopische Steinsanierungsverfahren bei Nephrolithiasis im Vergleich: Vorteile für die Kombination von PNL und URS?

Fachartikel

Urologie

Harnsteine

mgo medizin

mgo medizin

Autor

7 MIN

Erschienen in: UroForum

Vincent Scheper, Charis Kalogirou

Mit einer steigenden Prävalenz von ca. 5–10 % stellt die Nephrolithiasis sich als eine Volkskrankheit in unseren Breitengraden dar [1]. Nicht nur der damit einhergehende ökonomische Druck, sondern auch die teilweise komplexe Steinlast erfordern eine Analyse der etablierten Steinsanierungsverfahren und den Blick über den Tellerrand hinaus. In der präsentierten Studie verglichen wir die konventionelle sowie die miniPNL mit der ECIRS (endoscopic combined intrarenal surgery – Kombination aus Mini-PNL und flex. URS in Rückenlage).

Hintergrund

Die konventionelle PNL ist eine etablierte Methode, die besonders für große Nierensteine geeignet ist. Studien haben gezeigt, dass die Steinfreiheitsrate bei der konventionellen PNL hoch ist, jedoch oft mit einer längeren Hospitalisierungszeit und höheren Komplikationsraten einhergeht. Laut einer Studie von Jung, Gyoo Hwan et al. (2015) erreicht die konventionelle PNL eine Steinfreiheitsrate von 84 %, wobei die durchschnittliche OP-Zeit bei 90,7 min lag [2]. Eine weitere Studie von Havel, D et al. (1998) berichtete über Steinfreiheitsraten von 73–84 % je nach Größe der Konkremente [3].

Die Mini-PNL, eine etablierte Weiterentwicklung der konventionellen PNL, nutzt kleinere Zugänge und Instrumente, was zu geringeren postoperativen Komplikationen und kürzeren Hospitalisierungszeiten führt. Wu, Cheng et al. (2017) berichteten für die Mini-PNL eine Steinfreiheitsrate von 73–92 % und eine durchschnittliche Hospitalisierungszeit von 3,9 Tagen [4]. Kukreja (2017) demonstrierte in seiner Studie sogar eine Steinfreiheitsrate von 93 %, wobei die Komplikationsrate geringer war als bei der konventionellen PNL [5].

Methodik/Fragestellung

Die vorliegende Studie basiert auf einer retrospektiven Analyse von endoskopischen Steintherapien, die zwischen 2013 und 2023 am Universitätsklinikum Würzburg durchgeführt wurden. Es wurden drei Hauptgruppen von Behandlungen verglichen: konventionelle PNL, Mini-PNL und ECIRS. Die Hauptfragestellung war, ob die ECIRS im Vergleich zu den anderen Methoden Vorteile hinsichtlich der Behandlungsergebnisse bietet. Dabei verglichen wir, neben allgemeinen klinisch-demographischen Daten, unter anderem die Charakteristika der vorliegenden Nephrolithiasis (Steinmasse, -lage, -typ, HU), die Schnitt-Naht- und Durchleuchtungszeit sowie das klinische Outcome im Sinne von Komplikationen nach Clavien-Dindo, Einschränkung der Nierenfunktion und Steinfreiheitsrate (Residualfragmente < 3 mm). Die Analyse umfasste insgesamt 174 Patienten, die sich einer der drei Behandlungsgruppen zuordnen ließen: ECIRS (n = 27), Mini-PNL (n = 48) und konventionelle PNL (n = 98).

Ablauf der ECIRS am Universitätsklinikum Würzburg

Die Durchführung der ECIRS folgt am Universitätsklinikum Würzburg einem standardisierten Protokoll. Der Patient wird in der modifizierten Valdivia-Lagerung operiert (▶ Abb. 1, 2). Anschließend erfolgt die semirigide und flex. URS mit Auffüllung des Nierenbeckens, was eine Punktion der unteren Kelchgruppe für die Mini-PNL erleichtert. Dabei wird auf eine 11/13 Ch. (Charrière) Navigator-Schleuse sowie auf ein 9 Ch. Einmalgerät zurückgegriffen. Die Mini-PNL erfolgt über einen 18 Ch. Amplatzschaft und ein 12 Ch. Nephroskop. Die Fragmentierung der Konkremente wird mittels Lumenis 120H mit MOSES™-Technologie oder der Quanta CyberHo 100 mit Virtual Basket® durchgeführt. Nach Erreichen der Steinfreiheit werden zur Abflusssicherung eine perkutane Nephrostomie (10 Ch.) sowie eine Harnleiterschiene (i. d. R. 7 Ch. Mono-J) eingelegt, welche im stationären Verlauf wieder entfernt werden. Die ▶ Abbildung 3 zeigt intraoperative Bilder, bei der zunächst multiple Konkremente in der Leeraufnahme erkennbar sind. Das letzte Durchleuchtungsbild zeigt ein steinfreies Hohlsystem mit einliegender perkutaner Nephrostomie und Mono-J-Harnleiterschiene.

Abb. 1: Lagerung in modifizierter Valdivia Lagerung bei Nephrolithiasis links.
Abb. 1: Lagerung in modifizierter Valdivia Lagerung bei Nephrolithiasis links.
Abb. 2: ECIRS mit Operateur für URS zwischen den Beinen und Operateur für PNL an der linken Flanke. Beachte den separaten Monitor rechts im Bild für den URS-Operateur.
Abb. 2: ECIRS mit Operateur für URS zwischen den Beinen und Operateur für PNL an der linken Flanke. Beachte den separaten Monitor rechts im Bild für den URS-Operateur.
Abb. 3: intraoperative Röntgenbilder: a) Klassische ECIRS-Indikation: ausgedehnte Steinlast in mehrern Endkelchen der linken Niere, die vorauss. nicht mittels alleiniger Mini-PNL saniert werden kann b) ECIRS via flex. URS und mini-PNL* c) steinfreie Niere mit einliegender PCN und Mono-J.
Abb. 3: intraoperative Röntgenbilder: a) Klassische ECIRS-Indikation: ausgedehnte Steinlast in mehrern Endkelchen der linken Niere, die vorauss. nicht mittels alleiniger Mini-PNL saniert werden kann b) ECIRS via flex. URS und mini-PNL* c) steinfreie Niere mit einliegender PCN und Mono-J.

Ergebnisse

Die ermittelten biometrischen Daten der Teilnehmer der verschiedenen Interventionsgruppen zeigen keine statistisch signifikanten Unterschiede und erlauben so eine Vergleichbarkeit zwischen den untersuchten Gruppen (▶ Tab. 1). Analysen zur Charakteristik der Nephrolithiasis zeigen besonders Unterschiede in der Steinzahl, während sich die Qualität der Steine nicht wesentlich unterschied. Während 49–60 % der konventionellen PNL bzw. Mini-PNL-Patienten nur ein einzelnes Konkrement aufwiesen, so wurde die ECIRS speziell bei Patienten mit multiplen Konkrementen durchgeführt. So wiesen ca. 43 % der ECIRS-Patienten über zwei Konkremente auf. Weitere wesentliche Ergebnisse umfassen den Vergleich bzgl. Operationszeit, Durchleuchtungszeit, Hospitalisierungszeit und Steinfreiheitsrate (▶ Tab. 2). Die ECIRS zeigte hier eine signifikant kürzere Schnitt-Naht-Zeit im Vergleich zu der Mini-PNL und der konventionellen PNL (91,7 min vs. 113,5 min bzw. 124,5 min, p = 0,014). Die Durchleuchtungszeit war ebenfalls kürzer (4,1 min vs. 5,8 min bzw. 7,6 min, p = 0.03). Patienten in der ECIRS-Gruppe hatten zudem eine kürzere Hospitalisierungsdauer (6,6 Tage vs. 9,1 Tage bzw. 12,7 Tage, p = 0,001). Die Steinfreiheitsrate zeigte eine Tendenz zur Überlegenheit der ECIRS, wobei der Unterschied statistisch nicht signifikant war (78,6 % vs. 77,6 % bzw. 73,2 %, p > 0,05). Die Rate der Re-Interventionen (z. B. Re-URS/-PNL) innerhalb von 30 Tagen unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (14,3 % für ECIRS, 16,3 % für Mini-PNL und 21 % für konventionelle PNL, p > 0.05). Auch wurden keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Komplikationen festgestellt (Hb-, GFR-Abfall, Clavien-Dindo).

Tab. 1: Demografische Daten.
Tab. 1: Demografische Daten.
Tab. 2: Auszug Ergebnisse.
Tab. 2: Auszug Ergebnisse.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die ECIRS eine vielversprechende Alternative zu den traditionellen Methoden der Nierensteinentfernung darstellt. Die signifikant kürzere Operations- und Hospitalisierungszeit sowie die reduzierte Durchleuchtungszeit bei vergleichbarer Komplikationsrate, sprechen für die Effizienz und Sicherheit dieses kombinierten Ansatzes. Insbesondere bei komplexen Steinlasten und multiplen Konkrementen bietet die ECIRS Vorteile.

Die Vorteile von der ECIRS können hierbei auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden.

Die Kombination aus URS und Mini-PNL bietet eine bessere Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Steine, was besonders bei komplexen Nephrolithiasis-Fällen von Bedeutung ist. So können Steine an unterschiedlichen Lokalisationen und Größen effizient saniert werden, da sich die beiden Operateure effektiv zuarbeiten können. Zudem wirken sich eine kürzere Durchleuchtungs-sowie OP-Zeit positiv auf die Rekonvaleszenz des Patienten aus. Interessant erscheint auch die Lagerung in Rückenlage aus anästhesiologischer Sicht. Beatmungsprobleme, insbesondere bei adipösen Patienten in Bauchlage, können so reduziert werden.

Ein weiterer Aspekt, der in zukünftigen Studien berücksichtigt werden sollte, ist die Kosten-Nutzen-Analyse der verschiedenen Methoden. Obwohl die ECIRS in Bezug auf die klinischen Ergebnisse vielversprechend ist, müssen die ökonomischen Implikationen und die langfristigen Kosten für das Gesundheitssystem sorgfältig bewertet werden. Ein zusätzlich notwendiger Operateur sowie der Mehraufwand an Material steht der signifikant geringeren Hospitalisierungszeit gegenüber.

Die retrospektiven Daten ließen, aufgrund der Dokumentation dieser, keine eindeutige Analyse der Komplexität der Nephrolithiasis in den einzelnen Gruppen zu (i. S. von Stone-Scores).

Die ECIRS wurde in unserer Klinik nur bei komplexer Nephrolithiasis durchgeführt, während die Indikationsstellung zur PNL und Mini-PNL insbesondere Nierensteine ab 10mm beinhaltete. Dementsprechend kann angenommen werden, dass bei komplexer Nephrolithiasis die Steinfreiheitsrate der ECIRS verhältnismäßig noch besser ausfällt als bei den etablierten Methoden.

Prospektive Studien mit standardisierter Erfassung der Komplexität könnten hier mehr Aufschluss bringen und die Patientenselektion sowie die Indikationsstellung weiter verbessern.

Ein limitierender Faktor dieser Studie ist sicherlich die noch geringe Fallzahl der ECIRS-Gruppe. Dies ist u. a. auf die restriktive Indikationsstellung und das im Vergleich noch relativ junge Verfahren zurückzuführen, welches erst seit wenigen Jahren in unserer Klinik durchgeführt wird. Darüber hinaus scheinen die untersuchten Daten zur konventionellen PNL teilweise überholt zu sein, was sich beispielsweise in einer relativ langen Liegedauer widerspiegelt.

Eine Meta-Analyse bezüglich der ECIRS im Vergleich zur PNL unterstreicht die beobachteten Ergebnisse bezüglich der Überlegenheit der ECIRS im Hinblick auf die Steinfreiheitsrate und Krankenhausverweildauer [6].

Fazit

Die ECIRS ist eine sichere und effektive Methode zur Behandlung von komplexer Nephrolithiasis und stellt eine wertvolle Ergänzung zu den bestehenden Behandlungsoptionen dar. Die Vorteile in Bezug auf Operationszeit, Hospitalisierungsdauer und Durchleuchtungszeit machen die ECIRS zu einer attraktiven Wahl für Patienten mit komplexen Nierensteinen. Zukünftige Studien sollten sich auf die langfristigen Ergebnisse, Indikationsstellung und die Kosten-Nutzen-Analyse konzentrieren, um die optimale Behandlungsstrategie für Patienten mit Nephrolithiasis zu bestimmen. 

Literatur und Bildquelle unter www.uroforum.de

Korrespondenzadresse:
Dr. med. Vincent Scheper
Assistenzarzt
Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie Universitätsklinikum Würzburg
Oberdürrbacher Straße 6
97080 Würzburg
Scheper_v@ukw.de

Aus UroForum 7-24

Schlagworte zu diesem Beitrag

Weitere Beiträge zu diesem Thema

Mann hält sich die Leiste aufgrund von Schmerzen, Symbol für Männergesundheit

Warum Peniserkrankungen ein zentrales Element der Andrologie sind

Fachartikel

Die Andrologie ist ein interdisziplinäres Gebiet, bei dem Endokrinologen, Humangenetiker, Urologen, Dermatologen, Sexual- und Reproduktionsmediziner zusammenwirken. In diesem Artikel sollen Antworten auf die Frage gefunden werden, warum Peniserkrankungen in der Andrologie ein zentrales Element darstellen.

Urologie

Sonstiges

Beitrag lesen
Analytische Ähnlichkeit zwischen dem neuen, generischen Biosimilar und dem Referenzprodukt

Zentiva: Neues Denosumab-Biosimilar im Portfolio

Pharmaservice

Zentiva, ein führender europäischer Arzneimittelhersteller, hat mit Enwylma® das erste EU-weite Denosumab-Biosimilar eingeführt. Nach EMA-Zulassung markiert dies Zentivas strategischen Einstieg in den Biosimilar-Markt und unterstützt die Mission, Patienten europaweit besseren Zugang zu hochwertigen Biologika zu bieten.

Urologie

Sonstiges

Beitrag lesen
Das Bild zeigt den stellvertretenden KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Stephan Hofmeister.

KBV prangert Deprofessionalisierung der Versorgung durch „Pseudolösungen“ an

Berufspolitik

Bei der KBV-Vertreterversammlung in Berlin kritisierte Dr. Stephan Hofmeister, dass dringend nötige Strukturreformen auf sich warten lassen. Geplante Gesetzgebung bringe Praxen keine Entlastung, sondern erschwere deren Arbeit weiter. Die Forderung nach schnellen, wirksamen Reformen bleibt bestehen.

Urologie

Berufspolitik

Beitrag lesen