Ein anatomischer Anachronismus der Urologie muss sich wohl darauf einstellen, ins Museum des Fachgebietes abgeschoben zu werden. Der tastende Finger als Instrument der Früherkennung des Prostatakarzinoms ist seit 1971 eine Leistung der Prostatakarzinom-Früherkennung. Jetzt bereiten wissenschaftliche Daten dem Tastfinger den Garaus.

An die Stelle des tastenden Fingers könnte schon bald die PSA-basierte Früherkennung mit dem Eskalations-Armamentarium der multiparametrischen Magnetresonanztomografie (mpMRT), der PI-RADS-Klassifizierung sowie der Fusions-Biopsie kommen. Riesige Datenmengen der ERSPC- und der PROBASE-Studie, ein Ratsbeschluss der Europäischen Union und viele Initiativen der Urologen brauchte es, um die Borniertheit und Verlogenheit der Politik zu erschüttern. Die rektale Tastuntersuchung war und ist kein Mittel zur Früherkennung des Prostatakarzinoms, zumindest wenn ein Qualitätsanspruch an das Ergebnis gerichtet wird. Die PROBASE-Studie und Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums geben dem Tastfinger nun den Rest. Zu oft tastet der Finger im Nirgendwo – jedenfalls wissenschaftlich.
PSA-Früherkennung wurde systematisch diskreditiert
Angeblich lag den PSA-Verhinderern der vergangenen Jahrzehnte das Seelenheil der Männer am Herzen, die nicht durch falsch-positive Ergebnisse um den Schlaf gebracht werden sollten. In Wahrheit ging es um puren Geiz und die pekuniär begründete Angst vor einer Therapiekaskade. So viel ist dem Staat nun das Wohl seiner Männer im besten Alten auch nicht wert, dass man solche GKV-Schecks ausstellen wollte. Mal gespannt, wie jetzt der Gemeinsame Bundesausschuss reagiert, wenn Lauterbach gesetzliche Fakten für den PSA-Wert schafft.
Die rektale Tastuntersuchung ist nicht zur Früherkennung von Prostatakarzinomen bei Männern im Alter von 45 Jahren geeignet. Der Grund dafür ist eine zu geringe Empfindlichkeit und eine zu hohe Falsch-Positiv-Rate. Die Tastuntersuchung verbessert auch die Detektionsrate des PSA-Screenings nicht. Basierend auf den Daten der PROBASE-Studie bewerteten Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) nun erstmals die diagnostische Aussagekraft der Tastuntersuchung bei jüngeren Männern.
Rektale Tastuntersuchung ist seit 1971 im GKV-Katalog
Die rektale Tastuntersuchung ist seit 1971 Teil des Früherkennungsprogramms der gesetzlichen Krankenkassen. Die diagnostische Aussagekraft der rektalen Tastuntersuchung gilt allerdings seit Langem als gering. Insbesondere für jüngere Männer lagen jedoch bislang keine Daten dazu vor. Nun hat die PROBASE-Studie nach einem Bericht des DKFZ diese Ergebnisse geliefert. PROBASE (Risk-adapted prostate cancer early detection study based on a baseline PSA value in young men – a prospective multicenter randomized trial) ist eine bevölkerungsbezogene, randomisierte Prostatakarzinom-Screening-Studie, die die Wirksamkeit eines risikoangepassten PSA-Screenings untersucht, das entweder im Alter von 45 Jahren oder 50 Jahren beginnt.
Die PROBASE-Studie wird in an den Universitätskliniken in Düsseldorf, Hannover, München (TU) und Heidelberg durchgeführt, durch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) koordiniert und von der Deutschen Krebshilfe gefördert.
Nur drei von 57 Tast- befunden waren maligne
6.537 Teilnehmer im Kontrollarm von PROBASE, deren PSA-Werte zunächst nicht bestimmt wurden, hatten sich bei Studieneintritt im Alter von 45 Jahren einer rektalen Tastuntersuchung unterzogen. Dabei wurden 57 verdächtige Befunde ermittelt. Die Biopsien ergaben, dass sich nur bei drei Teilnehmern tatsächlich ein Karzinom fand. Die übrigen Befunde erwiesen sich als falsch-positiv. Die Wissenschaftler konnten die Aussagekraft der Tastuntersuchung zusätzlich bei Studienteilnehmern untersuchen, bei denen Prostatakarzinome mittels des PSA-Tests aufgefallen waren. 86 % dieser Männer hatten einen unauffälligen Tastbefund, obwohl ihre Tumoren zum großen Teil in potenziell zugänglichen Regionen der Prostata lagen.
Dadurch hatte das Team um Studienleiter Prof. Peter Albers die Möglichkeit, die Rate an falsch-positiven Ergebnissen der Tastuntersuchung zu errechnen. Nur bei drei Teilnehmern (Detektionsrate 0.05%) fand sich tatsächlich ein Karzinom. Die übrigen Befunde erwiesen sich als falsch-positiv, was belastende und unnötige Biopsien nach sich zieht. Zum Vergleich: Bei einem PSA-Test liegt die Detektionsrate viermal höher. Die Aussagekraft der Tastuntersuchung konnte dann zusätzlich bei denjenigen Studienteilnehmern untersucht werden, deren Prostatakarzinome beim PSA-Test aufgefallen waren. 86 % dieser Männer hatten einen unauffälligen Tastbefund, obwohl ihre Tumoren zum großen Teil in potenziell zugänglichen Regionen der Prostata lagen.
PROBASE-Studie bewies Überlegenheit des PSA-Tests
Weitergehende Schlüsse aus den Studiendaten zog der Studienleiter. „Angesichts der geringen Akzeptanz der rektalen Tastuntersuchung würde ein Prostatakrebs-Screening auf der Basis eines PSA-Tests möglicherweise sogar die Teilnahmebereitschaft der Männer steigern“, so Albers. „Der PSA-Test hat sich in großen randomisierten Studien als eindeutig überlegen erwiesen. Wir sollten mit großem Nachdruck eine risikoadaptierte, bevölkerungsweite Einführung vorbereiten, die bei abklärungsbedürftigen Befunden die Möglichkeit einer MRT-Untersuchung beinhaltet.“
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Franz-Günter Runkel
Chefreporter UroForum
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