Das Prostatakarzinom (PCa) ist die zweithäufigste Krebsart und die fünfhäufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle bei Männern weltweit. Ambulant tätige Urologen sind daher täglich mit einer großen Zahl an Patienten konfrontiert, bei denen Verdacht auf PCa besteht. Bei diesen Patienten wird standardmäßig eine Stanzbiopsie durchgeführt. Alternativ kann das Risiko durch Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahmen beurteilt werden, jedoch gab es für die Reliabilität dieses Verfahrens bis vor Kurzem keine Untersuchungen. Eine neue Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat nun gezeigt, dass Männer mit negativen MRT-Ergebnissen möglicherweise kein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs haben und eine Biopsie sicher vermieden werden kann, wenn geeignete Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden.

Vorteile der MRT vor der Biopsie
Bei PCa-Verdacht wird zunächst häufig standardmäßig eine Stanzbiopsie durchgeführt, bei der Gewebeproben über die gesamte Prostata verteilt entnommen werden. Neue Leitlinien empfehlen vor der Biopsie eine MRT-Untersuchung, die die Lokalisierung von Indexläsionen in der Prostata ermöglicht und dadurch gezielte Prostatabiopsien (PB) erlaubt.
Ein weiterer großer Vorteil der MRT ist, dass sie als Triage-Instrument für die Biopsie dienen kann. Eine Stanzbiopsie ist mit unangenehmen Begleiterscheinungen für die Patienten verbunden. Eine Studie unter der Leitung von Dr. Charlie Hamm, Arzt an der Klinik für Radiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, ging deshalb der Frage nach, ob es langfristig sicher ist, bei Männern mit klinischem Verdacht auf PCa nach einem negativen Ergebnis der MRT auf eine PB zu verzichten, wenn die Patienten aktiv überwacht werden.
Studienaufbau und Zulassungsbedingungen
Die prospektive, multizentrische, longitudinale Kohortenstudie wurde an 54 urologischen Praxen und zwei radiologischen Bildgebungszentren der Charité in Berlin durchgeführt. Dafür wurden im Schnitt zehn Biopsie-naive Männer mit Verdacht auf PCa von den Praxen aufgenommen und zur MRT an eines der beiden Zentren überwiesen.
Zugelassen waren Männer zwischen 18 und 75 Jahren mit klinischem Verdacht auf PCa. Voraussetzung war, dass sie sich zuvor noch keiner PB unterzogen hatten und mit PCa-Verdacht aufgrund eines erhöhten PSA-Serumspiegels, einer abnormalen digital-rektalen Untersuchung (DRU) oder beidem überwiesen worden waren. Die PSA-Grenzwerte wurden nach dem Ermessen des behandelnden Urologen festgelegt, wobei keine Obergrenze vorgegeben war.
Weitere Ausschlusskriterien waren der Verdacht auf eine extraprostatische Ausbreitung, der Verdacht auf Metastasen, eine vorherige Beckenoperation, Kontraindikationen für eine multiparametrische MRT (mpMRT) oder die Teilnahme an anderen interventionellen Studien.
MRT-Befunde entscheiden über Biopsie
Die Teilnehmer unterzogen sich einer 3-T-mpMRT und wurden anhand der Ergebnisse in zwei Gruppen aufgeteilt: negative MRT-Ergebnisse mit geringem PCa-Risiko und positive MRT-Ergebnisse mit mittlerem / hohem PCa-Risiko. Nur bei Männern mit Befunden, bei denen der weitere Verdacht auf ein PCa bestand, wurde eine gezielte PB empfohlen (Diagnosephase).
Sicherheit durch aktive Überwachung
Männer mit negativen mpMRT-Ergebnissen oder positiven mpMRT-Ergebnissen mit gutartigen Befunden bei der PB wurden drei Jahre lang systematisch überwacht (Überwachungsphase). Eine klinische urologische Untersuchung wurde im Schnitt alle sechs Monate in der überweisenden urologischen Praxis durchgeführt.
Der Zweck der aktiven Überwachung der Männer mit negativen MRT-Ergebnissen bestand darin, die Anzahl der PB zu bestimmen, die bei Männern mit negativen MRT-Befunden sicher vermieden werden kann.
Männer mit gutartigem Biopsiebefund wurden ebenfalls drei Jahre lang aktiv überwacht. Ziel war es, die PCa-Rate bei Männern mit positiven MRT-Befunden zu bestimmen.
MRT-Ergebnisse zeigen hohen negativen Vorhersagewert
Insgesamt unterzogen sich 593 Männer (medianes [IQR]-Alter, 64 [58–70] Jahre) einer mpMRT, wobei 286 (48 %) negative MRT-Ergebnisse hatten. Bei 261 (44 %) Teilnehmern wurde anfangs keine PB durchgeführt und bei 242 (41 %) wurde über drei Jahre hinweg keine PB durchgeführt.
Bei 161 (27 %) Männern wurde nach sofortiger PB ein csPCa festgestellt. Diese Zahl stieg nach drei Jahren auf 172 (29 %) Männer.
Bei sieben Männern mit negativen MRT-Ergebnissen wurde durch die sofortige PB ein PCa diagnostiziert (darunter vier Fälle von klinisch signifikantem PCa [csPCa]), während 279 Männer in die Überwachung aufgenommen wurden. Die Drei-Jahres-Überwachung wurde von 233 (84 %) Teilnehmern abgeschlossen, bei denen in sieben Fällen ein csPCa diagnostiziert wurde.
Von 307 Männern mit positiven MRT-Ergebnissen wiesen 58 (19 %) nach der sofortigen PB kein PCa auf, von denen 41 (71 %) die Überwachung abschlossen und bei vier (7 %) ein csPCa diagnostiziert wurde.
Insgesamt zeigten die MRT-Ergebnisse einen negativen Vorhersagewert für csPCa von 96 % nach drei Jahren.
Fazit und Implikationen für die Praxis
In der Kohortenstudie hatten Männer mit negativen mpMRT-Ergebnissen, bei denen eine Biopsie vermieden wurde, kein erhöhtes Risiko für ein csPCa. Damit bestätigt die Studie die onkologische Sicherheit der MRT-Strategie vor der Biopsie, die darin besteht, nach negativen MRT-Ergebnissen eine sofortige PB zu vermeiden, wenn ein programmatisches Sicherheitsnetz vorhanden ist.
Diese Studie belegt damit den hohen negativen Vorhersagewert der MRT vor der Biopsie und zeigt, dass Männer mit negativen MRT-Ergebnissen möglicherweise kein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs haben und eine Biopsie sicher vermieden werden kann – vorausgesetzt, dass geeignete Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden. ◼
Franziska Ahlstich
Quelle: Hamm CA et al. Oncological safety of MRI-informed decision-making in men with suspected prostate cancer. 2024 JAMA Oncol. Dec 12 doi: 101001/jamaoncol.2024.5497
Aus UroForum Heft 01/2025


