Die therapiebedingte akute myeloische Leukämie (t-AML) macht ca. 7 % aller AML-Fälle aus und weist ungünstige genetische Merkmale auf, die vermutlich durch erhöhte DNA-Schäden nach einer vorangegangenen Strahlen- bzw. Chemotherapie verursacht werden. Um die Unterschiede zwischen t-AML und de novo-AML besser zu verstehen, untersuchte die vorliegende retrospektive Studie die klinischen und biologischen Merkmale von Patienten mit t-AML (n = 225) und verglich das Langzeitüberleben mit Betroffenen mit de novo-AML (n = 908).
Im Vergleich zur de novo-AML waren t-AML-Patienten signifikant älter (61 vs. 55 Jahre; p < 0,001), wiesen mehr Komorbiditäten auf und zeigten häufiger ungünstige genetische Veränderungen (z. B. monosomale oder komplexe Karyotypen; -5/-5q, -7, t(v;11)(v;23)). Vor der t-AML wurde bei 61 % der Patienten ein solider Tumor diagnostiziert, 31 % wiesen hämatoonkologische Erkrankungen und 8 % Autoimmunerkrankungen auf. Die kombinierte Radiochemotherapie stand mit 33 % bei der Behandlung früherer bösartiger Erkrankungen an erster Stelle, gefolgt von einer Chemotherapie (27 %), Strahlentherapie (22 %) und immunsuppressiven Therapie (7 %; Cyclophosphamid, Mitoxantron, Methotrexat, Azathioprin). Die mediane Latenzzeit zwischen zytotoxischer Therapie und t-AML betrug 5,8 Jahre. Bei intensiv behandelten t-AML-Patienten lag das mediane Gesamtüberleben (OS) bei 13,7 Monaten im Vergleich zu 39,4 Monaten bei de novo-AML (p < 0,001). Dieser signifikante OS-Unterschied zeigte sich insbesondere für Patienten < 60 Jahre mit einem 5-Jahres-OS von 31 % bei t-AML im Vergleich zu 51 % bei de novo-AML (p < 0,001). Bei Patienten nach einer Intensivtherapie für die t-AML war das OS mit dem der günstigen genetischen Risikogruppen der de novo-AML vergleichbar (p = 0,927). Eine besonders schlechte Prognose hatten Patienten nach einer Vorbehandlung mit mehreren zytotoxischen Therapien (p = 0,009). Die multivariate Analyse identifizierte einen ECOG-Score > 1, eine ungünstige Risikogruppe, einen BMI < 18,5 kg/m2, Diabetes mellitus sowie eine intensive Behandlung als unabhängige prognostische Faktoren bei t-AML.
Die Daten der vorliegenden Untersuchung deuten darauf hin, dass das schlechtere OS bei t-AML im Vergleich zur de novo-AML eher auf eine Akkumulation ungünstiger genetischer Veränderungen und Patienten-assoziierter Risikofaktoren als auf die t-AML selbst zurückzuführen ist. Daher unterstützt die Studie eindrucksvoll die derzeitige Auffassung, dass bei t-AML auf der Grundlage genetischer Merkmale die gleiche Risikostratifizierung wie bei Patienten mit de novo-AML angewandt werden soll, einschließlich der Indikation für eine allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie stehen im Einklang mit der internationalen Konsensus-Klassifikation der AML, wonach die t-AML als „diagnostischer Qualifikator“ innerhalb der verschiedenen AML-Untergruppen und nicht als separate Unterkategorie gesehen wird.
Dr. Katrina Recker
Quelle: 64th ASH Annual Meeting and Exposition, Gross S et al. „Therapy-Related AML: Clinical/Biological Features and Long-Term Outcome in a Cohort of 1133 Adult AML Patients“. Abstract #539
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