E-Paper

Paediatrie » Neuropädiatrie » Neurologie

»

Fluoridexposition und IQ bei Kindern

Mädchen beim Zähneputzen

Fluoridexposition und IQ bei Kindern

Fachartikel

Paediatrie

Neuropädiatrie

Neurologie

mgo medizin Redaktion

Autor

5 MIN

Erschienen in: pädiatrische praxis

Hinweise aus Studien häufen sich, dass Fluorid einen negativen Effekt auf die Gehirnentwicklung und den IQ haben könnte. Fluorid wird hauptsächlich aus Wasser, Nahrung und Getränken auf Wasserbasis aufgenommen. Kyla W. Taylor et al. untersuchten daher in einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse, ob die Fluoridexposition mit IQ-Werten von Kindern assoziiert ist.

Fluorid ist natürlicherweise im Trinkwasser vorhanden. In einem Bericht des National Research Council von 2006 wurde festgehalten, dass hohe Konzentrationen von natürlich vorkommendem Fluorid im Trinkwasser neurotoxische Effekte haben können. Studien zufolge beeinflusst Fluorid die Gehirnentwicklung. In den USA und in einigen weiteren Ländern erfolgt die Fluoridierung von Trinkwasser oder auch Speisesalz zur Kariesprävention. Das U.S. Public Health Service empfiehlt eine Fluoridkonzentration von 0,7 mg/l im Trinkwasser, der Richtwert der WHO für Fluorid ist mit 1,5 mg/l festgelegt. Zusätzliche Quellen für die Aufnahme sind Lebensmittel, zahnmedizinische Produkte, Industrieemissionen und Arzneimittel. In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse, erschienen in JAMA Pediatrics 2025, gehen Kyla W. Taylor et al. daher der Frage nach, ob eine Assoziation zwischen Fluoridexposition und IQ-Werten bei Kindern besteht.

Inverse Assoziation zwischen Fluoridexposition und IQ

Insgesamt wurden 74 Studien (64 Querschnittsstudien und 10 prospektive Kohortenstudien) miteinbezogen, von denen 45 in China durchgeführt worden waren. Weitere Studien stammen aus Kanada (n=3), Dänemark (n=1), Indien (n=12), Iran (n=4), Mexiko (n=4), Neuseeland (n=1), Pakistan (n=2), Spanien (n=1) und Taiwan (n=1). 52 Studien wurden mit einem hohen und 22 Studien mit einem niedrigen Verzerrungspotenzial eingestuft. Die Bewertung der Studienqualität erfolgte mittels des OHAT-Risk-of-Bias-Tools. Gepoolte standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMDs) und Regressionskoeffizienten wurden mit Random-Effects-Modellen geschätzt.

64 Studien berichteten über eine inverse Assoziation zwischen Fluoridexposition und dem IQ. Die Analyse von 59 Studien auf der Gruppenebene zeigte bei den Messgrößen der Fluoridexposition wie Fluorid in Trinkwasser oder Zahnfluorose (47 Studien mit hohem Verzerrungspotenzial, 12 mit niedrigem Verzerrungspotenzial; n = 20.932 Kinder) eine inverse Assoziation (gepoolte SMD, -0,45; 95 %-KI, -0,57 bis -0,33; p <0,001). Bei 31 Studien, in denen die Trinkwasserkonzentration von Fluorid gemessen wurde, wurde eine Dosis-Wirkungs-Assoziation bei Exponierten gefunden, verglichen mit der Referenzgruppe (SMD, -0,15; 95 %-KI, -0,20 bis -0,11; p <0,001). Die inverse Assoziation war auch nachweisbar für exponierte Gruppen bei <4 mg/l und <2 mg/l, jedoch nicht bei <1,5 mg/l.

In 20 Studien wurde die Fluoridexposition im Urin bestimmt. Hier ergab die Analyse eine inverse Dosis-Wirkungs-Beziehung (SMD, -0,15; 95 %-KI, -0,23 bis -0,07; p <0,001). Eine inverse Assoziation fand sich auch für exponierte Gruppen bei <4 mg/l, <2 mg/l und <1,5 mg/l Fluorid im Urin.

Die Forschungsgruppe ermittelte aus 13 Studien eine Abnahme des IQs um 1,63 Punkte (95 %-KI, -2,33 bis -0,93; p <0,001) für einen Anstieg von Fluorid im Urin um 1 mg/l. Wurden nur Low-Risk-of-Bias-Studien berücksichtigt, ergab sich eine IQ-Senkung um 1,14 Punkte (95 %-KI, -1,68 bis -0,61; p <0,001).

Lt. Kyla W. Taylor et al. waren Einschränkungen ihrer Forschungsarbeit, dass hauptsächlich Querschnittstudien und als »high-risk-of-bias« klassifizierte Studien miteingeschlossen wurden. Jedoch heben sie hervor, dass die inverse Assoziation zwischen Fluoridexposition und IQ auch in Analysen von Studien mit niedrigem Verzerrungspotenzial und in Subgruppenanalysen sowie trotz Anwendung unterschiedlicher Studiendesigns gezeigt werden konnte.

Die Autorinnen und Autoren heben hervor, dass ihrer Analyse zufolge für einen Fluoridanstieg von 1 mg/l im Urin zwar die Abnahme des IQs gering ist (Senkung um 1,63 Punkte), dies könne jedoch, auf die Gesamtheit bezogen, Auswirkungen haben. Beispielsweise führt eine Senkung des IQs um 5 Punkte in der Bevölkerung zu einer Verdoppelung an Personen, die als geistig behindert klassifiziert werden. Bis auf Fluoridkonzentrationen niedriger als 1,5 mg/l, gemessen im Trinkwasser, war die inverse Assoziation signifikant. Hier merken Kyla W. Taylor et al. an, dass eine Messung der Fluoridkonzentrationen im Wasser wahrscheinlich die Gesamtfluoridexposition unterschätzen und Urinkonzentrationen diese besser repräsentieren würden. Fluorid im Urin wurde in den ausgewählten Studien mittels Einzelproben, Spot-Urin und Mehrfachproben bestimmt. Kyla W. Taylor et al. führen einerseits an, dass diese Verfahren fehleranfälliger seien als eine 24-Stunden-Urin-Messung. Andererseits verweisen sie auf Forschungsliteratur, welche eine Korrelation von Urinkonzentrationen zwischen Spot-Urin und 24-Stunden-Urin bei Verdünnungs-adjustierten Messungen beschreibt.

Fazit

Kyla W. Taylor et al. konnten in ihrer Metaanalyse, welche Studien mehrerer Länder miteinschloss, eine inverse Assoziation und eine inverse Dosis-Wirkungs-Assoziation zwischen Fluoridkonzentrationen sowohl im Urin als auch im Trinkwasser und dem IQ bei Kindern feststellen. Die Forschungsgruppe merkt an, dass bei Konzentrationen von unter 1,5 mg/l für eine Fluoridexposition ausschließlich im Trinkwasser aufgrund der mangelnden Datenlage keine sichere Dosis-Wirkungs-Assoziation angegeben werden konnte. Lt. den Autorinnen und Autoren könnte ihre Studie zu künftigen Risiko-Nutzen-Bewertungen der Fluoridexposition für die Mundgesundheit von Kindern und die öffentliche Gesundheit beitragen.

Originalpublikation:

Taylor KW, Eftim SE, Sibrizzi CA, Blain RB, Magnuson K, Hartman PA, et al. Fluoride Exposure and Children’s IQ Scores: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Pediatr 2025; doi: 10.1001/jamapediatrics.2024.5542. Epub ahead of print.

Link zur Originalpublikation: https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2828425

Autorin: Dr. med. Charlotte Gröschel, PhD

Schiffner U. Aktuelle Fluoridierungsempfehlungen für Kleinkinder aus kinderzahnmedizinischer Sicht. pädiat prax 2023; 100 (4): 559–568.
vollständigen Artikel auf med-search lesen ➔

Graf J, Graf K. Fluoride. Über Risiken und Nebenwirkungen einer systemischen Fluoridierung. pädiat prax 2024; 101 (2): 276–282.
vollständigen Artikel auf med-search lesen ➔

Schiffner U. Brief an die Redaktion: Ausführungen zu systemischen Fluorideffekten betreffen nicht die Anwendung von fluoridhaltigen Zahnpasten. pädiat prax 2024; 101 (4): 611.
auf med-search lesen ➔

Graf J, Graf K. Schlusswort zu: Ausführungen zu systemischen Fluorideffekten betreffen nicht die Anwendung von fluoridhaltigen Zahnpasten. pädiat prax 2024; 101 (4): 612–614.
auf med-search lesen ➔

Bilderquelle: © jivanshreela – stock.adobe.com; Symbolbild

Schlagworte zu diesem Beitrag

Weitere Beiträge zu diesem Thema

3D-Illustration eines Gehirns vor weißem Hintergrund

Intrakranielle Kolloidzysten in der pädiatrischen Population

Fachartikel

Kolloidzysten im Kindesalter sind extrem selten, können jedoch durch eine akute Liquorabflussstörung einen lebensbedrohlichen Hydrozephalus verursachen.

Paediatrie

Chirurgie & Orthopädie

Beitrag lesen
Hände eines Jugendlichen, der Böller und ein Feuerzeug hält

Kinderchirurgie: Verletzungen durch Feuerwerkskörper verhindern

News

Die DGKJCH und der Arbeitskreis „Das schwerbrandverletzte Kind“ machen auf die Gefahren von Feuerwerkskörpern bei Kindern aufmerksam.

Paediatrie

Chirurgie & Orthopädie

Beitrag lesen
Person hält Smartphone mit geöffneter TikTok-App in der Hand

Qualität von TikTok-Inhalten zur Sichelzellanämie 

Kongressberichte

Patientenaufklärung ist entscheidend für die Nachsorge und Therapie der Sichelzellanämie. Eine Studie vom ASH-Kongress 2025 analysierte die Qualität von TikTok-Inhalten zur Sichelzellanämie, um Informationslücken, Perspektiven und die Qualität der Aufklärung zu bewerten und so die Versorgung und das Wissen der Patienten zu verbessern.

Onkologie

Sonstiges

Beitrag lesen